Schwestern der Angst - Roman
Hörer zu sagen, gelang ohne Probleme, wenn man sie mit einer Feder zu kitzeln drohte. Stimuliert und aufnahmefähig war sie dann. Sie ging mir fleißig zur Hand.
Doch hin und wieder erprobte sie ihr kleines Ich und sagte „Nein“. Dann mussten härtere Bandagen folgen. Ich wusste mir zu helfen. Da sie mich verehrte, zeigte ich ihr bei Ungehorsam die Strafe, die mich treffen würde. Fesselte und peitschte mich, bis rot und blau unterlaufene Striemen meine Beine, Rücken und Oberarme zeichneten. Es reichte ihr bald, wenn ich nur davon erzählte. Sie ertrug es nicht, wenn ich gepeinigt war. Schließlich stellte Marie jeden Trotz ein. Bis auf einmal, als wir Himbeeren pflücken mussten. Sie hatte keine Lust. Meine Selbstverletzung interessierte sie nicht. Sie sah mich erbarmungslos, ja gelangweilt an, während ich mir die Dornen ins Fleisch quetschte. Ich packte das kleine Luder. Zog ihm die Strumpfhose aus und fesselte seine Füße. Nun schlug der kleine Teufel mit dem Schädel auf den Boden ein. Sie zerkratzte sich das Gesicht. Ich stopfte ihr den Mund mit Himbeeren. Marie hörte zu schreien auf und schmatzte nur genüsslich. Kinder sind polymorph perverse Geschöpfe. Ich konnte ihr meine Finger zwischen die fest aufeinanderbeißenden Kiefer bohren, um den Mund zu öffnen und die süßen Beeren hineinzuzwängen. Meine Gewalt diente als Geschmacksverstärker.
Als Marie heranwuchs, in meinen blauen Pyjama hinein, erhob sie die Faust und ihre Ablehnung gegen mich. Ich musste viel Verständnis aufbringen. Marie hatte Schlafstörungen. Jede Nacht hatte sie Angst vorm Sterben. Ich konnte ihr die Todesangst nicht ausreden, aber wenn sie von Albträumen geplagt war, zwickte ich sie, um sie ihre Lebendigkeit erfahren zu lassen. Der blaue Pyjama war das perfekte Kleidungsstück für die Züchtigung, meine Nägel drangen leicht durch den dünnen Stoff.
Es war zu Allerheiligen, als ich sie mit entblößten Armen in der Veranda erwischte. Sie flüsterte geheimnisvoll, und Vater untersuchte die Wunden und Striemen. Ich hörte an seinem Ton, dass er sich nun mit Marie gegen mich verbündete. Ich wurde zur Rede gestellt, entschuldigte mich. Vater war kühl mir gegenüber, auch in seiner Bestrafung. Er ging dazu über, mich zu siezen. Das verletzte mich zutiefst. Marie hegte Misstrauen gegen mich, riss sich den Pyjama vom Leib und schrie hysterisch, sie könne nicht mehr neben mir schlafen. Ich wollte sie ohnehin aus meinem Bett haben, doch nicht mich wie verstoßen fühlen. Sie war ja bisher immer anschmiegsam gewesen.
Vater bestand auf unserer Trennung. Marie erhielt ein eigenes Zimmer. Sie litt weiterhin unter Albträumen. Sie fürchtete sich vor ihren Phantasien. Ich, die Ältere, blieb vor dem Fernsehapparat sitzen, auf Mutters ehemaligem Platz, auf der Couch neben dem Vater. Wir hatten beide die Füße hochgelegt und tranken Tee. Vaters Gesicht schimmerte silbrig im Licht. Ich fragte ihn, ob ich ihn etwas fragen dürfe. Er sah mich erwartungsvoll an und voller Milde. Ich zuckte mit der Schulter und lüpfte die Augenbrauen, und war ganz verschämt, als ich ein „Liebst du mich noch?“ über die Lippen brachte. Er schmunzelte nicht einmal. Sein Gesicht wurde ernst, sein Blick traurig. Zweifel über seine eigenen Erziehungsmethoden stiegen ihm auf. „Ich kann sehr sehr lieb sein“, sagte ich und kuschelte mich an ihn heran, während er bereitwillig seinen Arm hob wie einen Flügel, unter den sich das Küken schiebt. Da ich keine Ahnung hatte, wie weit eine Tochter bei ihrem Vater gehen durfte, legte ich meine Hand auf die Brust, öffnete den obersten Knopf meiner Bluse und zog den Saum des Rockes über das Knie, winkelte es, mein schlankes Bein darbietend, an.
Bevor ich die Schenkel entblößt hatte, nahm er meine Hand, schob den Rock übers Knie hinab und legte meine Hand in meinen Schoß zurück. „Renate“, sagte er. „Du bist zwar schon eine junge Dame, aber nicht meine Frau. Das wirst du begreifen lernen, wir werden einen Arzt für dich finden. Du bist verwirrt, meine Liebe.“
Tränen stiegen mir auf, ich schluckte.
„Du musst dich nicht schämen“, sagte er.
Ich schämte mich gar nicht, ich war zutiefst gerührt, dass mich ein Mann um meinetwillen mochte, ohne mich für seine Erleichterung zu verwenden. Doch wozu wollte er einen Arzt für mich? Er sorgte bestens für mein Wohl. Er setzte sich aufrecht hin, drückte mich ganz stark an sich und sagte: „Ich habe dich genauso lieb wie Marie.“
In diesem
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