Schwestern Des Mondes 03 - Die Vampirin-09.06.13
Dredge sagte mir, dass er auch nicht vorhatte, mich einen Augenblick seines Genusses versäumen zu lassen.
Ich wünschte, ich wäre nie geboren worden, und blickte zu den Sternen auf, als er leichtfüßig in den Schacht sprang und mit mir auf den Armen hinab in die Höhle schwebte. Das war der letzte Blick auf wahre Schönheit durch klare, unverdorbene Augen.
»Menolly. Menolly? Es ist Zeit, aufzuwachen.«
Die zarte Stimme drang in meinen Traum und riss mich gerade noch rechtzeitig vom Abgrund zurück. Alle Erinnerung an den Traum zerbarst, als ich im Bett hochschoss. Der nagende Schmerz in meinem Magen drängte mich, aufzuspringen, denjenigen zu packen, der mich gestört hatte, und ihn mir einzuverleiben.
Ich blickte mich um und erkannte meine Umgebung. Ich war sicher in meinem Schlafzimmer, der hübsche grüne Stoff der Bettdecke wurde vom sanften Licht der imitierten TiffanyLampe auf dem Tisch erhellt. Iris saß im Schaukelstuhl, weit genug weg von mir, um sicher zu sein während dieser ersten Sekunden des Aufwachens, in denen ich am ehesten dazu neigte, gedankenlos zu reagieren. Camille hatte diese Lektion auf die harte Tour gelernt – und ich ebenfalls.
»Die Sonne geht unter. Zeit zum Aufstehen.« Sie erhob sich, strich ihre Schürze glatt und lächelte mich freundlich an. Ganz gleich, wie oft Iris mich schon mit ausgefahrenen Reißzähnen und blutroten Augen gesehen hatte, es schien sie nie zu beunruhigen. »Anna-Linda ist schon seit dem späten Vormittag auf. Ich habe mich lange mit ihr unterhalten. Sie weiß übrigens, was du bist. Offenbar bist du nicht der erste Vampir, der ihr begegnet ist.«
»Du machst wohl Witze. Wo hat sie schon einen anderen Vampir kennengelernt?« Ich öffnete meinen Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Fast alle meine Sachen hatten lange Ärmel, denn ich achtete darauf, Arme und Beine zu bedecken. Die Narben waren längst verblasst, zogen sich aber über meinen ganzen Körper, und es war einfacher, sie zu verbergen, als sie ständig erklären zu müssen. Ich schob die Kleiderbügel herum und zog schließlich eine tiefsitzende Jeans, einen jagdgrünen Rolli und eine braune Wildleder-Weste hervor. Dazu noch meine Stiefel mit den Killer-Stiletto-Absätzen, und ich würde ganz präsentabel aussehen.
Iris lächelte. »Wann hast du eigentlich zuletzt ein Höschen oder einen BH getragen?«
»Äh – nie?«, erwiderte ich, schlüpfte in die Jeans und knöpfte sie zu. Sie saß eng, aber da ich nicht zu atmen brauchte, musste ich nur darauf achten, ob ich mich darin hinsetzen konnte, ohne dass die Nähte platzten. »Jedenfalls nicht Erdseits. Als ich noch am Leben war, habe ich natürlich Unterwäsche getragen, aber warum sollte ich mir jetzt noch die Mühe machen? Meine Brüste werden nie schlaff.«
Iris unterdrückte ein Lachen und schüttelte den Kopf. »Wie du meinst. Also, Anna-Linda hat mir heute beim Frühstück erzählt, dass es in Portland, Oregon, wo sie herkommt, einen Clan von Vampiren gibt. Ihr Bruder wollte dazugehören und hing mit einer Gruppe verwahrloster Jugendlicher herum, die immer wieder die Vampire herausgefordert haben. Sein Wunsch wurde schließlich erfüllt, aber die Vampire haben die Jugendlichen nicht verwandelt, sondern nur ausgesaugt. Die Medien haben darüber berichtet, als Serie von Ritualmorden, aber Anna-Linda hatte sich im Wald versteckt, um ihren Bruder auszuspionieren, als es passiert ist. Bald danach hat ihre Mutter einen neuen Mann mit nach Hause gebracht, der anfing, das Mädchen zu belästigen. Da ist Anna-Linda weggelaufen.«
Ich ließ mich aufs Bett fallen, um in die Stiefel zu schlüpfen und die Reißverschlüsse hochzuziehen. Während ich liebevoll das herrliche Wildleder streichelte, dachte ich darüber nach, was Iris mir erzählt hatte. Das Mädchen hatte offensichtlich Probleme, und wenn sie die Wahrheit sagte, konnten wir sie natürlich nicht einfach nach Hause schicken. Andererseits waren wir nicht dafür geeignet, ein menschliches Kind in unsere Obhut zu nehmen.
»Glaubst du, dass sie die Wahrheit sagt?« Ich schaute Iris an. Sie war eine sehr gute Menschenkennerin. Sie würde es merken, wenn das Mädchen sie belog.
Iris zog die Augenbrauen hoch. »Interessant, dass du mich das fragst. Ja, ich glaube schon. Trotzdem habe ich Chase gebeten, die Geschichte nachzuprüfen. Er hat die Polizei in Oregon angerufen, und offenbar gab es da unten einen Massenmord, der zu ihrer Schilderung vom Tod ihres Bruders
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