Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse-09.06.13
fluchen.
Iris räusperte sich. »Ich weiß, es wäre dir lieber, wenn solche Dinge unter Verschluss blieben, und ich verstehe, warum. Aber seit die ersten Portale geöffnet wurden, bilden Menschen und Feen wieder eine Schicksalsgemeinschaft. Neuigkeiten werden sich herumsprechen, und ob es uns gefällt oder nicht: Wir müssen einräumen, dass die Feen auch schlechte Seiten haben, genau so, wie immer wieder faule Apfel der menschlichen Gesellschaft entlarvt werden. Goblins haben einen Polizisten getötet, woraufhin sie ihrerseits ausgeschaltet wurden. Warum sollte das etwas anderes sein als eine Schießerei, bei der ein mit Crack zugedröhnter Verbrecher schließlich von der Polizei niedergestreckt wird?«
»Ich fürchte nur, dass solche Vorfälle Gruppierungen wie den Freiheitsengeln noch mehr Vorwand für ihre rassistischen Angriffe liefern. In deren Augen ist sowieso nur eine tote Fee eine gute Fee. Sie sind fanatische Eiferer und gewaltbereit - eine gefährliche Kombination.« Chase hielt inne und lehnte sich an das Gebäude, an dem wir gerade vorbeigingen. Die James Street war ziemlich steil, wie die meisten Straßen in Seattle, und er war offensichtlich außer Atem.
Während er und Iris ihre Unterhaltung fortsetzten, überkam mich ein seltsames Gefühl - als würden wir beobachtet. Ich drehte mich um. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war ein großer Parkplatz. Ohne darüber nachzudenken, überquerte ich die Straße, blieb an der Einfahrt stehen und suchte den Platz nach jemandem ab, der uns beobachten könnte.
Und dann sah ich ihn. Sie. Zwei Männer und eine Frau, die neben einem roten BMW standen. Die Frau war bezaubernd schön mit langem, fließendem Haar so schwarz wie die Nacht, einem zart getönten Teint und mandelförmigen Augen, so grün wie aus flüssigen Smaragden. Sie trug ein hellgrünes Chiffonkleid.
Einer der Männer war groß und schlank. Mit dem hellblonden, glatt zurückgekämmten Haar hätte er beinahe zu den Feen gehören können. Sein Gesicht war hager und zerfurcht, doch in seinen Augen glomm ein seltsames Feuer, und ich merkte, dass ich ihre Farbe nicht bestimmen konnte.
Als ich den zweiten Mann ansah, machte mein Herz einen Satz, aber nicht, weil er dermaßen fesselnd aussah. Macht ging in mächtigen Wogen von ihm aus, und mein Instinkt wollte, dass ich sofort ein Versteck suchte. Dieser Mann bedeutete eine Unmenge Ärger.
Und dennoch ... ich konnte den Blick nicht abwenden. Er war groß und kräftig, hatte eine Glatze, und seine Augen waren so dunkel, dass ich das Gefühl hatte, ich könnte hineintauchen und niemals den Grund erreichen. Sein Anzug sah teuer aus, aber ein wenig altmodisch. Der Mann wandte sich mir zu, und langsam breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht.
Die Frau sagte etwas zu ihm, drückte seinen Arm und blieb dann zurück, als er auf mich zukam; die beiden anderen folgten mit einigem Abstand.
Mein Herz hämmerte von dem Alarm, der in meinem Verstand tobte, und ich wäre gern weggelaufen, konnte mich aber nicht rühren. Als er sich langsam näherte, schwand der Drang zu fliehen, und ich konnte den Blick nicht mehr von seinem Gesicht abwenden. Er blickte sich auf dem Parkplatz um. Jetzt um die Mittagszeit herrschte reger Betrieb, Leute eilten auf dem Weg von oder zu ihren Autos an uns vorbei. Sie schienen uns überhaupt nicht zu bemerken.
Er blieb knapp einen Meter vor mir stehen, zog lässig eine Zigarette aus einer Packung und zündete sie an. Vom Gestank nach Tabak und Nelken musste ich husten, doch darunter lag noch ein anderer Duft, der mich wieder in Alarmbereitschaft versetzte.
»Mein Name ist Karvanak. Wer du bist, weiß ich natürlich, aber wie wäre es, wenn du dich mir trotzdem vorstellen würdest?« Er sprach mit einem leichten Akzent. Ich versuchte ihn zuzuordnen, aber dieser Duft, vermutlich sein Aftershave, machte es mir beinahe unmöglich, mich zu konzentrieren.
Und da wurde mir klar, wer das war. Der glatzköpfige Mann roch nach Orangen, Jasmin und süßer Vanille, schon beinahe faulig. Ich stand dem Räksasa gegenüber.
Kapitel 20
Verflixt und zugenäht.
Ich versuchte, mich aus der Lethargie aufzurütteln, die mich lähmte, und schaffte es, ein paar Schritte weit zurückzutaumeln. Hatte er vor, mich an Ort und Stelle zu töten, am helllichten Tag vor mindestens einem Dutzend Zeugen?
»Mach dir nicht ins Höschen«, sagte er. »Ich werde dich nicht hier ausweiden. Noch nicht«, fügte er hinzu und verzog die Lippen zu
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