Schwestern des Mondes 04 - Hexenküsse-09.06.13
Schönheit. Der Mann sah einfach zu umwerfend aus, um real zu sein. Er schlang mir einen Arm um die Schulter und hob mit der anderen Hand meine Reisetasche auf. »Ich begleite euch zum Haus. Ich sollte mich sowieso bei Estelle erkundigen, wie es Georgio heute geht.«
Während wir uns den Pfad entlang durch den Wald schlängelten, hatte ich das Gefühl, wieder atmen zu können. Die Wohnung im Hügel war zu beengt gewesen, doch hier draußen fühlte es sich wieder ganz natürlich an, in Smokys Arm dahinzuspazieren. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Es tut mir leid, dass wir die Woche aufteilen müssen«, bemerkte ich.
»Nein, tut es dir nicht«, erwiderte er. »Aber das ist schon in Ordnung. Es bedeutet nämlich nur, dass du länger an mich gebunden sein wirst, als du dachtest - wegen der vielen Tage dazwischen. Ich bestehe nicht darauf, dass du heute Nacht hier herauskommst. Du wirst mit der Dämonen-Geschichte zu tun haben.«
»Danke.« Und es ging um noch viel mehr als die Dämonen-Geschichte. Titania war wieder beängstigend machtvoll, und Morgana war auch nicht gerade schwächlich. Was, wenn Titania Morgana dazu überredete, die Dunkle Krone zu tragen, und sie die Höfe so wiedererrichteten? Oder wenn Morgana versuchte, Titania zu töten? Das allein würde die Feen sowohl der Anderwelt als auch der Erdwelt zu den Waffen rufen. Aber nicht in der Aufstellung, die wir gebraucht hätten.
Ich starrte auf den Pfad hinab. Die halb verrotteten Blätter des vergangenen Jahres waren in den Mulch aus Erde und Laub übergegangen, und der Weg war feucht, aber nicht so matschig, dass man darin versinken könnte. Während wir über Steine und Baumwurzeln hinwegtraten, versuchte ich, mich in das Land einzufühlen - vielleicht konnte ich so herausfinden, was Titania und Morgana trieben.
Ein paar Augenblicke lang spürte ich nichts als das gewöhnliche Kommen und Gehen des Waldes. Kleine Geschöpfe huschten herum, der Wind pfiff in den Zweigen, und die Sonne versuchte, die dichte Wolkendecke zu durchdringen. Dann konzentrierte sich allmählich meine Aufmerksamkeit auf der Ebene, die ich brauchte. Ich spürte die geistige Signatur eines Blaubeer-Deva, als wir an dem niedrigen Gebüsch vorübergin-gen. Und dort drüben arbeitete eine Gruppe von Naturgeistern an einer kranken Tanne.
Dann spürte ich es - eine Regung, beinahe wie ein Strudel.
»Ich spüre eine Erschütterung der Macht, Luke«, murmelte ich.
Smoky runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«
»Im Ernst«, sagte Morio. »Das kann sogar ich spüren. Da lauert etwas Großes am Horizont.«
Während ich die Energien zu sortieren versuchte, die in dem Strudel herumwirbelten, erkannte ich allmählich zwei deutlich voneinander unterschiedene Präsenzen. Die eine war ein Strom von Zweig und Blatt, von Stein und Holz, Herbstfarben und Sommerdüften ... die andere eine Kakophonie aus Nebel und Schatten, Sternenlicht und Kristallen und tiefen Höhlen. Doch die beiden Energien befanden sich nicht im Konflikt.
»Es ist beinahe, als ob ... o ihr Götter. O große Mondmutter, was zum Teufel haben sie denn jetzt wieder vor?« Ich riss mich aus meiner Trance und öffnete die Augen, ehe die beiden mich erspüren konnten. Die plötzliche Rückkehr in die Realität hätte mich beinahe aufgeschürfte Knie gekostet, weil ich bei meinem nächsten Schritt mit den Zehen an einer Wurzel hängenblieb.
»Wer?« Smokys Tonfall forderte eine sofortige Antwort, und er packte mich am Ellbogen und verhinderte meinen Sturz.
»Titania und Morgana. Sie arbeiten zusammen. Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber wir können darauf wetten, dass es mächtig Ärger geben wird. Gestern Abend sind die beiden sich beinahe an die Kehle gegangen. Was ist also inzwischen passiert?« Ich versuchte, mich auf das Wesen der Energie zu konzentrieren, aber Geheimnisse offenbarte mir natürlich niemand.
Morio nahm meine Hände in seine und unterstützte mich. Doch selbst mit seiner zusätzlichen Kraft konnte ich nicht bestimmen, was für einen Zauber die beiden da gemeinsam wirkten.
»Okay, das macht mich echt nervös.« Ich blickte über die Schulter in den Wald hinter uns zurück, konnte aber nichts Ungewöhnliches erkennen.
»Lass dich davon nicht beunruhigen«, sagte Smoky. Wir betraten die Lichtung in der Nähe des Hauses, das einst Tom Lane gehört hatte. Jetzt beherbergte es eine gebrochene Seele namens Georgio Profeta. Oder den heiligen Georg, wie er sich selbst betrachtete. Sankt Georg
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