Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Schnapsflasche. Es dauerte noch eine Weile, bis es ernst wurde. Und als ich dann herumfuhr, um ihn spielen zu hören, war ich mir ganz sicher, dass er der Meine und nur der Meine würde. Ich verstand seine Musik ja auch viel besser als diese dämlichen Tanten, die um ihn herumhingen.
Mein Aussehen empfand ich nicht als Handikap. Mein Bild musste ja auch keine Zeitungsinterviews oder Verlagsanzeigen zieren. Im Übrigen ahnte ich schon seit Jugendzeiten, dass Schönheit sexuell hinderlich wirken konnte. Hermans Verlobte damals war überaus hübsch gewesen. Ich hatte Fotos gesehen und sehr wohl begriffen, dass sie immer daran denken musste, wie sie sich ausnahm, wenn sie den Kopf nach hinten legte und wenn sie die Beine spreizte. Ihre Schreie und ihr Wimmern mussten ja zu ihrer blonden Sprödheit passen.
Mein Körper passte zu Lasses Körper, ohne dass ich mich anstellen musste. Wir waren beide stämmig. Ich wusste, dass wir einander viel Genuss bereiten würden, mehr als die Hübschen ihm je verschaffen könnten und mehr als ich in meinem Leben je bekommen hatte. Obwohl ich bisher beileibe nicht schlecht weggekommen war.
Wenn ich seinem Spiel lauschte, saß ich weit vorn auf einer der meist lehnenlosen Bänke. Das Gras war feucht und frisch gemäht und duftete so stark, dass es um uns herum fast stechend roch. Da war ich mir sicher, dass ich ihn bekommen würde. Es ging aber nicht von jetzt auf gleich, obwohl ich es so gewollt hätte. Eines Nachts, in seinem Wohnwagen, war es fast so weit. Er war jedoch zu betrunken. Am Morgen passierte es dann endlich. Dabei musste er einmal unterbrechen und hinausgehen, um den Stützfuß herunterzukurbeln, damit der Wagen nicht so heftig schaukelte.
Lillemor verheimlichte ich ihn, wie ich ihr auch meine anderen Männer verheimlicht hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich vorgestellt, dass ich bei Ante nur ein Zimmer gemietet hatte und wir abends in platonischer Freundschaft zusammensaßen und Scrabble spielten. Sie beklagte sich nämlich über meine Liebesszenen. Besonders nachdem wir in der Finanstidningen eine Rezension bekommen hatten, die vor allem aus einem Ausbruch von Widerwillen bestand. Darin hieß es, dass ich, das heißt sie, frigid sei. Normalerweise diente die Finanstidningen als Pissrinne für das Svenska Dagbladet , und der feineren Zeitung musste dieser Text, den sie vermutlich abgelehnt hatte, zu drastisch gewesen sein. Lillemor heulte zuerst und machte dann ein Mordsbuhei, dass wir mehr über die Liebe schreiben müssten. Ich sagte ihr, dass ich im Moment über die Mütter meiner Kuckucksspeichelkinder schriebe und diese Mütter eine Heidenangst vor Generalstreiks und Arbeitslosigkeit und Vätern hätten, die vor diesem ganzen Elend Reißaus nähmen. Ein Kind mehr bedeute da nur Hunger. In solcher Lage lebe man nicht sonderlich ausschweifend, auch wenn man sehr wohl starke Gefühle haben könne. Und damit mussten sowohl sie als auch die Finanstidningen sich zufriedengeben.
Darüber zu schreiben, wie jemand oder man selbst vögelt, ist nicht weiter schwierig. Und eigentlich war es wohl das, was gefragt war, und die Nachfrage, heißt es, regelt den Markt. Wie sind wir bloß zu einem Volk von Spannern geworden?
Die Liebe ist anständig und blüht im Verborgenen. Sie ist für zwei da. Nicht für diejenigen, die zuschauen wollen.
Der Sommer mit all den Auftritten und Fahrten dazwischen war hektisch. Nach dem Spiel auf der Bühne und nach der Session und allen bewundernden Annäherungsversuchen und, freiweg gesagt, Aufdringlichkeiten setzte Lasse, sobald er in den Wohnwagen kam, die Flasche an den Mund. Er nahm einen Schluck und verschlang ein heißes Würstchen mit Brot, das er draußen bekommen hatte, nahm noch einen Schluck und aß eine zweite Wurst, die ich ihm reichte.
Ich kann mich noch gut an den Geruch nach zertrampeltem Gras und den Würstchen mit Senf an den Ständen erinnern, die im Getümmel an den Spielstätten aufgebaut worden waren, und an den Geruch nach Schnaps und Bier aus seinem Mund und den nach späten Blumen, wenn der Sommer dunkler wurde: Schafgarbe, Baldrian, Dost und am Ende Rainfarn, der einsam die Grabenränder mit hartem Gras beherrschte.
Wenn der Sommer mit seinen Ereignissen zu Ende war, hatte Lasse sich durch das Bingsjötreffen Anfang Juli samt allen Veranstaltungen und durch alle anderen Auftritte bis Anfang September gespielt. Er sagte, er habe für seinen Geigenbogen viel Rosshaar verbraucht und sei müde. Jetzt war es an der
Weitere Kostenlose Bücher