Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Vater hieß Utmes Johan Larsson, und das Geschlecht hatte bereits lange vor der Flurbereinigung eine Achtelhufe besessen und so wenige Kinder bekommen, dass der Hof bei Erbteilungen nicht gar zu sehr zerstückelt wurde. Er selbst hieß eigentlich Utmes Lars Johan Larsson, doch davon wollte er nichts wissen. Aber Lasse durfte man ihn nennen.
Zur Hälfte war er also Abkömmling des ehrlichen schwedischen Bauernstandes, aber seine hohen Backenknochen und die schräg geschnittenen Augen lenkten die Gedanken darauf, dass an seiner Herkunft auch Finnen und Sami beteiligt sein könnten. Um gleich zu sagen, wie es ist, so bekamen fahrende Pferdehändler in der Regel schwarzäugige Kinder. Er erzählte, dass seine Mutter eine dunkle Schönheit aus der Orsa Finnmark gewesen sei, die in diese Achtelhufe in einem wohlhabenden Rättvikkirchspiel geheiratet habe, und dass viele sich das Maul zerrissen hätten über ihre Herkunft und darüber, dass ein guter Rättvikbauer auf diese Weise nach unten geheiratet hatte.
»Jeder dahergelaufene Bauerntölpel gilt doch mehr als einer aus dem fahrenden Volk«, sagte er bitter. »Aber wie soll das gehen, wenn wir uns immer nur an unseresgleichen halten?«
»Ja, dann lebten wir wohl in einem Land voller blasser, blaugrauäugiger, knochiger Kätnerabkömmlinge mit großen Händen und Füßen und mit Haaren in der Farbe von Stroh oder Rattenfell«, sagte ich.
»Tun wir das denn nicht?«
Lasse war ein sehr stolzer Mann, und seine Würde und Selbstachtung hatte er von der mütterlichen Seite. Bruder und Vater seiner Mutter hatten ihm das Spielen beigebracht, obwohl sein Vater, der Rättvikbauer, nicht zulassen wollte, dass er in den Schulferien in die Finnmark fuhr. Es kam aber so, und als er zu Hause auf dem Hof allmählich alt genug war, um zu arbeiten, blieb ihm zu guter Letzt nichts anderes übrig, als auszureißen.
Der Onkel hieß Lindgren und wurde Rusken genannt, warum, wusste ich zunächst nicht. Er spielte auf Hochzeiten und zum Tanz und trug dabei einen schwarzen Anzug mit Silberknöpfen, ein weißes Hemd mit flatternden Kragenenden und um den Hals ein rotes Seidentuch. Lasses Großvater war ähnlich ausstaffiert gewesen, wenn er auf Bauernfesten gespielt hatte, allerdings trug er einen schwarzen Zylinder, der mit den Jahren ziemlich abgegriffen war. Meines Wissens war er der Erste, der Rusken genannt wurde, und er brachte dem Jungen, bevor dieser konfirmiert wurde, die Orsamelodien bei. Mit den Melodien der Rättvikkirchspiele fing Lasse an, als er dann irgendwann öffentlich auftrat. Oft übernahm er die zweite Stimme für einen der richtig großen Spielmänner, nämlich den, an dessen Grab er in jener Nacht gespielt hatte.
Er wurde selbst ein Großer. Spielte die zweite Stimme für einen Mann aus einem benachbarten Kirchspiel, der in der Hofkapelle saß und mit der Spielmannsauszeichnung Zornmärket in Silber zugleich Reichsspielmann war. Dieser hatte ihm geraten, die Rättviktracht zu tragen, wenn er vor dem Ausschuss aufspielte. Und als Lasse dann selbst Reichsspielmann geworden war, ließ er sich einen langen Mantel mit Achselstickereien schneidern. Dazu trug er Moleskinhosen mit Bommeln an den Kniebändern, ein besticktes Leinenhemd und eine Weste sowie handgefertigte Schuhe mit Lasche und Silberspange. Mit größtem Stolz erfüllte ihn – trotz Auszeichnungen und der Reichsspielmannschaft –, dass er in der Orsa Finnmark jetzt Rusken genannt wurde. Denn er hatte es mit den Melodien seines Großvaters und seines Onkels so weit gebracht, dass nun er diesen Ehrennamen trug.
Das schwarze Pferdehändlererbe war auch dann nicht zu übersehen, wenn er sich in Schale geworfen hatte, noch deutlicher aber wurde es, wenn er das bestickte Leinenhemd auszog. Arme und Nacken waren zottig und dunkel behaart. Im Nacken wirkte das Haar weich. Man konnte Lust bekommen, es überall gleichzeitig zu berühren, um den Unterschied zu spüren. Wenn wir unterwegs waren, ließ sich unschwer erkennen, dass nicht nur mich diese Lust überkam. Am Bauch und in Richtung Schritt hatte er ein schwarzes Haarkreuz, worin, wenn er befriedigt war, sein schöner Schwanz ruhte.
Er war schwer hinter Frauenzimmern her und sicherlich gewohnt zu bekommen, was er wollte. Doch ich war schon in der Nacht auf dem Parkplatz unterhalb der Kirche von Rättvik davon überzeugt, dass ich ihn bekommen würde. Auch wenn er nichts davon wusste, besiegelten wir dies mit den letzten Schlucken aus seiner kleinen
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