Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
lächelte, doch es wirkte ein wenig resigniert. »Träume werden nur selten wahr. Vor allem in meinem Alter.«
»Aber wenn du John Bruno findest, machst du den großen Reibach.«
»Das Geld ist nur ein Teil des Traums.«
Als King sie überrascht ansah, wandte sie schnell den Blick ab.
»Gehst du oft segeln?«, fragte sie.
»Im Herbst, wenn die Motorboote weg sind und Wind aufkommt.«
»Na, wir haben Herbst. Also wäre doch jetzt eigentlich die beste Zeit dafür.«
King betrachtete den klaren Himmel und spürte die angenehme Brise auf der Haut. Bis zum Einbruch der Dunkelheit blieben ihnen noch zwei Stunden. Sekundenlang musterte er Joan intensiv, dann sagte er: »Ja, jetzt wäre eigentlich die beste Zeit dafür.«
King zeigte Joan, wie man das Ruder des Segelboots bediente. Für den Fall, dass der Wind sich legte, hatte er am Heck einen 5-PS-Motor angebracht. Sie nahmen Kurs auf die Mitte des Sees und ließen sich dort treiben.
Joan bewunderte die Bergkette, die sich um den See herum zog und noch immer in vollem Grün stand, obwohl man die Kühle des Herbstes in der Luft bereits spürte.
»Hättest du jemals gedacht, du könntest nach all den Jahren in Hotels und Flugzeugen und diesen vielen durchwachten Nächten an einem Ort wie diesem landen?«, fragte sie.
King zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt, nein. Ich hab nie so weit vorausgedacht. Ich hab immer mehr dazu geneigt, im Hier und Jetzt zu leben.« Dann fügte er nachdenklich hinzu: »Inzwischen denke ich eher langfristig.«
»Und wohin führen dich deine langfristigen Gedanken?«
»Nirgendwohin, bis sich dieser mysteriöse Fall nicht aufgeklärt hat. Das Dumme ist nur: Selbst wenn wir ihn lösen, ist der Schaden wohl nicht wieder gutzumachen. Durchaus möglich, dass ich von hier wegziehen muss.«
»Du willst weglaufen? Das klingt aber gar nicht nach dir, Sean.«
»Manchmal ist es klüger, seine Zelte abzubrechen und weiterzuziehen. Man kriegt die ewigen Kämpfe satt, Joan.«
Er setzte sich neben sie und übernahm das Ruder. »Der Wind wechselt. Ich kreuze wieder hinein. Der Baum schwenkt dann rüber. Ich sag’s dir, wenn du dich ducken musst.«
Nach dem Manöver überließ er Joan wieder das Ruder, blieb aber neben ihr sitzen. Sie trug einen Hosenanzug, hatte jedoch die Schuhe ausgezogen und die Hosenbeine bis über die Knie hochgekrempelt. Die Zehennägel an ihren kleinen Füßen waren rot lackiert.
»Vor acht Jahren hast du deine Zehennägel immer violett angemalt, oder?«
Sie lachte. »Rot kommt nie aus der Mode, aber vielleicht schafft Violett bald ein Comeback. Es schmeichelt mir sehr, dass du dich daran erinnerst.«
»Du hast nichts als violette Zehennägel und eine .357 getragen.«
»Ach komm, sei still, es war eine böse, unwiderstehliche Kombination.«
Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick schweifen.
Sie schwiegen eine ganze Weile lang. Joan sah ihn immer wieder nervös von der Seite an, während King tunlichst jeden Blickkontakt mied. »Hast du jemals daran gedacht, mich um meine Hand zu bitten?«, fragte sie.
Er sah sie erstaunt von der Seite an. »Ich war damals verheiratet, Joan.«
»Das weiß ich. Aber ihr hattet euch getrennt, und deine Ehe war praktisch im Eimer.«
Er senkte den Blick. »Okay, schon möglich, dass mir das klar war, aber ich war mir nicht sicher, ob ich einen zweiten Versuch wagen wollte. Außerdem hielt ich es für so gut wie unmöglich, dass zwei Secret-Service-Agenten jemals in der Lage sein könnten, eine gute Ehe zu führen. Dieser Beruf ist einfach zu verrückt.«
»Ich hab damals ernsthaft darüber nachgedacht, dich zu bitten.«
»Mich um was zu bitten?«
»Um deine Hand.«
»Du bist doch immer wieder für Überraschungen gut. Du wolltest mich wirklich bitten, dich zu heiraten?«
»Verlangt irgendwo ein Gesetz, dass der Mann den Antrag machen muss?«
»Und wenn schon – du hättest sicher keine Probleme damit, so einen Paragraphen in Stücke zu reißen.«
»Ich mein’s ernst, Sean. Ich war verliebt in dich. So sehr sogar, dass ich oft mitten in der Nacht zitternd aufgewacht bin und Angst hatte, es wäre plötzlich alles wieder vorbei und du könntest dich wieder mit deiner Frau versöhnen.«
»Das wusste ich nicht«, sagte er leise.
»Was hast du für mich empfunden? Ich meine, wirklich empfunden?«
Er wirkte verlegen. »Soll ich ehrlich sein? Ich war erstaunt, dass du mich an dich herangelassen hast. Du standest doch auf einem Podest, beruflich ebenso wie privat.«
»Also,
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