Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
gar nicht bemerkt, dass ihm der Zeiger um eine Minute verrutscht ist.«
»Möglich«, entgegnete King genauso skeptisch. »Aber einem Killer, der darauf achtet, keine verwertbare Spur zu hinterlassen, traue ich nicht zu, dass er Nächste schreibt, obwohl er eigentlich Nächsten meinte, oder dass er eine Uhr auf eins nach vier stellt, obwohl er vier meint.«
»Und wenn er tatsächlich vier Uhr eins meinte, was wollte er damit sagen?«, fragte Michelle.
Darauf hatte King keine Antwort. Er betrachtete längere Zeit die Tote, während Williams sich entfernte, um etwas anderes zu überprüfen.
Michelle legte King eine Hand auf die Schulter. »Tut mir Leid, Sean. Ich habe ganz vergessen, dass du sie gekannt hast.«
»Sie war ein guter Mensch und eine hervorragende Anwältin. So etwas hat sie nicht verdient… Keiner hat so was verdient.«
Als sie auf dem Weg nach draußen an Sylvia vorbeikamen, hielt die Ärztin sie auf. Der Mann im Anzug hatte sich einer anderen Gruppe angeschlossen, die sich mit der Leiche beschäftigte. Er war etwas kleiner als King, aber wesentlich stämmiger. Es schien, als würden seine Schultern jeden Moment aus seinem Anzug platzen. Er hatte ausgedünntes, graubraunes Haar, Blumenkohlohren und eine platte Boxernase zwischen zwei braunen Augen mit aufmerksamem Blick.
»Damit hätten wir die Nummer vier«, sagte Sylvia. »Der Night Stalker. Wer hätte das gedacht?« Sie schüttelte den Kopf.
»Wer ist der Mann, mit dem du gerade gesprochen hast?«, fragte King.
»Ein FBI-Agent. Chip Bailey aus Charlottesville.«
»Chip Bailey…«, wiederholte King langsam.
»Du kennst ihn?«, fragte Sylvia.
»Nein, aber ich würde ihn gern kennen lernen.«
»Das ließe sich arrangieren. Natürlich erst später. Im Moment sind hier alle ziemlich beschäftigt.«
»Kein Problem.« Er hielt einen Moment inne. »Hast du gesehen, was ihre Uhr anzeigt?«
Sylvia nickte. »Eine Minute nach vier. Genauso wie bei Janice Pembroke.«
»Was?«, riefen King und Michelle gleichzeitig.
»Pembrokes Uhr stand auf eine Minute nach zwei. Habe ich euch das nicht gesagt?«
»Nein«, erwiderte Michelle. »Und Todd auch nicht. Wahrscheinlich hat er dem Detail keine besondere Bedeutung beigemessen.«
»Was hältst du davon?«, fragte King.
»Ich halte es für wichtig. Ich weiß nur noch nicht, was es bedeuten soll.«
»Ist dir noch etwas anderes aufgefallen, Sylvia?«, fragte King.
»Ich habe eine Rektaluntersuchung bei Diane Hinson gemacht, nachdem ich nach Hinweisen auf ein sexuelles Vergehen gesucht habe. Auch in diesem Fall mit negativem Ergebnis. Sie ist seit acht oder neun Stunden tot. Allerdings handelt es sich um zwölf Stichwunden.«
Michelle bemerkte Sylvias Tonfall. »Das wäre ein Overkill.«
»Ja. Und es ist ein Zeichen für entfesselte Wut«, sagte Sylvia. »Die Hände und Unterarme des Opfers weisen keine Anzeichen einer Gegenwehr auf. Offenbar wurde sie überrascht und sehr schnell überwältigt.«
Sie hob ihre Tasche auf und zeigte auf die Tür. »Ich gehe jetzt zurück in meine Praxis. Ich habe Sprechstunde. Anschließend werde ich Diane Hinson obduzieren.«
»Wir begleiten dich«, sagte King.
Sie traten hinaus in die kühle Luft, die sich in der Sonne jedoch schnell erwärmte.
»Ich wollte euch noch fragen, wie ihr mit der Ermittlung in Sachen Junior Deaver vorankommt.«
King blickte Sylvia überrascht an. »Woher weißt du davon?«
»Im Supermarkt ist mir Harry Carrick über den Weg gelaufen. Ich habe ihm gesagt, dass ihr beiden euch um diese Morde kümmert, und er sagte mir, dass ihr einen Auftrag für ihn erledigt. Ich kann noch immer nicht glauben, dass Junior Deaver den Einbruch begangen haben soll. Er hat einige Reparaturen an meinem Haus vorgenommen. Ich fand ihn immer sehr höflich und entgegenkommend, wenn auch ein wenig ungeschliffen.«
»Wir haben mit Remmy, Eddie, Dorothea und dem Personal gesprochen.«
»Und nicht allzu viel herausgefunden, nehme ich an«, sagte Sylvia.
»Remmy ist wegen Bobby ziemlich in Sorge«, sagte King.
»Ich habe gehört, dass es ihm nicht gut geht.«
»Aber es besteht noch Hoffnung«, sagte Michelle. »Er hat vor kurzem das Bewusstsein wiedererlangt und sogar ein paar Worte gesprochen. Allerdings nur wirres Zeug. Aber ich denke, das ist trotzdem ein gutes Zeichen.«
»Bei einem Schlaganfall kann man nie wissen«, sagte Sylvia. »Gerade wenn man glaubt, der Patient würde sich erholen, kann er plötzlich sterben. Oder umgekehrt.«
King schüttelte
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