Sean King 03 - Im Takt des Todes
Bluse aus, bei der sie die beiden obersten Knöpfe offen ließ. Einen Minirock besaß sie nicht, und High Heels kamen nicht in Frage. Sie fand Champ in seinem Büro. Er fiel beinahe vom Stuhl, als sie unangekündigt hereinkam. Auf ihre Bitte machte er mit ihr einen Rundgang durch Baracke Nr. 2. Michelle bemerkte immer wieder, wie »wichtig« seine Arbeit hier sei. Als Champ ihr das Modell der Turingmaschine zeigte, beugte Michelle sich vor, um sie sich genauer anzusehen, und legte ihm dabei die Hand auf den Rücken, als wolle sie sich abstützen. Sie spürte förmlich, wie es in dem armen Kerl knisterte. Männer waren unglaublich einfach gestrickt. Und dumm. Selbst die Genies.
Sie aßen in einem kleinen, privaten Esszimmer im Herrenhaus zu Mittag, das offensichtlich für den Boss von Babbage Town reserviert war.
»Sie haben hier eine wirklich beeindruckende Anlage«, sagte Michelle. »Wie sind Sie zum Leiter von Babbage Town geworden?«
»Ich bezweifle, dass Sie das interessiert«, erwiderte Champ und schaute sie an.
»Wäre ich nicht daran interessiert, hätte ich nicht gefragt.«
»Ich habe ein paar ziemlich gute Arbeiten auf diesem Forschungsgebiet gemacht, erst in Stanford und später am MIT , aus denen mehrere Patente hervorgegangen sind. Und meine Doktorarbeit hat sich mit Quantenmechanik beschäftigt und wurde als bahnbrechend bezeichnet. Ich nehme an, das waren die Gründe für meine Ernennung zum Chef hier.«
»Sean hat mir erzählt, dass die Eigentumsverhältnisse von Babbage Town ein streng gehütetes Geheimnis sind.«
»Das stimmt. Und man wird gut bezahlt, um dieses Geheimnis zu wahren.«
»Großzügigkeit ist ein probates Mittel, sich Loyalität zu sichern.«
»Mir gegenüber war man mehr als großzügig. Man hat mir sogar ein eigenes Flugzeug zur Verfügung gestellt.«
»Wirklich? Ich bin kein Pilot, aber geflogen bin ich schon oft. Ich liebe es.«
»Ich könnte Sie ja einmal mitnehmen. Von oben ist die Aussicht wunderbar.«
»Das wäre großartig. Den Luftraum über Camp Peary werden Sie aber wohl meiden müssen, nehme ich an.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Die Parameter sind in meinem Bordcomputer.« Er hielt kurz inne. »Sie widmen mir bemerkenswert viel Aufmerksamkeit.«
»Sie sind ja auch ein interessanter Mann.«
»Und ein Verdächtiger.«
»Soweit ich weiß, haben Sie ein Alibi für den Zeitpunkt von Rivests Tod.«
»Ja. Ich habe gearbeitet.«
»Und wie geht es voran?«
»Wenn alles gut läuft, werden wir Anfang nächsten Jahres einen ersten Prototypen haben.«
»Und das ist dann das Ende der Welt … zumindest hat Sean das so gesagt.«
»Wohl kaum. Nein, dieser Computer wird nur ein paar grundlegende Aufgaben lösen können. Wir sind noch Jahre davon entfernt, der Welt wirklich einen Schreck einzujagen.«
»Das ist eine lange Zeit.«
»In der Welt der Physik ist das sehr schnell.« Champ leerte sein Weinglas. »Und wie geht es mit Viggie voran?«
»Sie ist ein nettes Mädchen. Ich mag sie. Und ich fühle mit ihr. Es ist nicht leicht für sie.«
»Bei Monk hat man nie so richtig gewusst, was er dachte. Er ist meist für sich geblieben, ein typischer Brite.«
»Wo wir gerade von Briten reden … Ich habe gehört, dass Monk vor einiger Zeit in England gewesen ist.«
»Das stimmt. Er wollte sich um Familienangelegenheiten kümmern.«
»Hat er mit Ihnen gesprochen, als er wieder zurück war? Über andere Länder vielleicht, die er besucht hat?«
»Nein. Aber ich nehme an, sein Pass wird Ihnen verraten, wo genau er war.« Champ schnippte mit den Fingern. »Warten Sie mal … Warum habe ich nicht schon früher daran gedacht? Monk hatte mir ein Geschenk mitgebracht.«
»Aus England?«
»Nein, es war ein deutscher Bierkrug.«
»Deutschland? Sind Sie sicher?«
»Ich habe ihn in meinem Haus, wenn Sie sich ihn ansehen wollen.«
In Champs Haus herrschte keine solche Unordnung wie in seinem Büro, aber es war auch nicht wie bei Sean. Michelle beglückwünschte den Physiker im Geiste für seine Unordentlichkeit. Champ führte sie in ein kleines Arbeitszimmer mit prall gefüllten Bücherregalen. Auf einem der Regale stand ein reich verzierter blauer Bierkrug. Champ reichte ihn Michelle.
»Das ist er. Ganz nett, nicht wahr? Auch wenn ich kein Biertrinker bin.«
Michelle betrachtete den Krug. Er hatte einen Zinndeckel, auf dem Ansichten deutscher Städte eingraviert waren. Sie drehte ihn um und schaute sich den Boden an. »Da steht nirgends, woher er ist. Nur ›Made in
Weitere Kostenlose Bücher