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zurücknickt, ist das für mich ein eher unbedeutendes positives soziales Erlebnis und beeinflusst mich wenig. Wahrscheinlich wird es schon bald darauf wieder aus meinem Bewusstsein entschwinden. Nehmen wir aber an, Jim würde nicht freundlich zurücknicken, sondern mit grimmiger Miene wegsehen und einfach weitergehen. Objektiv gesehen entspricht dieses Verhalten in seinem (negativen) Umfang in etwa einem Erwiderungslächeln, doch subjektiv gesehen werde ich vermutlich deutlich stärker darauf reagieren. Vielleicht denke ich: »Hoppla , was ist denn hier los? Was ist denn dem für eine Laus über die Leber gelaufen? Was habe ich ihm denn dieses Mal angetan ?« Die Begegnung wird uns nicht nur einen kurzen Augenblick, sondern möglicherweise mehrere Minuten, wenn nicht sogar länger beschäftigen. Negative Erfahrungen beeinflussen uns stärker und länger als positive.
Wie viele positive Erfahrungen sind nötig, um ein vergleichbares negatives Erlebnis aufzuwiegen? Das kommt ganz darauf an, wen Sie fragen. In Kapitel sechs haben wir die bahnbrechende Arbeit der Psychologin Barbara Fredrickson erwähnt, die von einem Verhältnis von 3:1 ausgeht. Sie fand heraus, »wenn das Verhältnis von positiven zu negativen Gefühlen bei 3 zu 1 liegt, erreichen die Menschen einen Tipping-Point. Ist er überschritten, werden sie automatisch widerstandsfähiger gegen Widrigkeiten und erreichen mühelos, wovon sie einst nur träumen konnten.« 4 Der berühmte Psychologe John Gottman allerdings entdeckte in einem anderen Zusammenhang auch ein anderes Verhältnis. Er stellte fest, dass für den Erfolg einer Ehe mindestens fünf Mal so viele positive wie negative Erfahrungen nötig sind. Es handelte sich also um eine Ratio von 5:1, die Gottman als das »magische Verhältnis« 5 bezeichnete, die inzwischen allerdings vor allem unter der Bezeichnung »Gottman-Konstante« bekannt ist. Dieses Verhältnis ist ein so aussagekräftiger Hinweis, dass Gottman Gerüchten zufolge allein dadurch korrekt vorhersagen kann, ob eine Ehe innerhalb von zehn Jahren in Scheidung enden wird, dass er die positiven und negativen Interaktionen innerhalb einer 15-minütigen Unterhaltung des Paares zählt. Er witzelt, dass er deshalb nicht mehr zu Abendgesellschaften eingeladen werde.
Wenn Sie diese beiden Verhältnisse vergleichen, wird sofort klar, warum die Ehe so schwierig ist. Wir fordern für all unsere Alltagserfahrungen einen unverschämt hohen Positivitätsquotienten von 3:1 â bis auf die Ehe, wo das Verhältnis sogar noch günstiger sein muss. So gesehen verhalten wir uns wie Unsympathen, die zu viel von ihren Ehepartnern verlangen, und beurteilen sie sehr viel härter als bloÃe Bekannte. Wenn wir dies verstehen, können wir unserem Partner vielleicht ein wenig wohlverdiente Ruhe gönnen, was die Ehe möglicherweise ein wenig leichter macht.
Das SCARF-Modell für das soziale Gehirn
In seinem Buch Your Brain at Work: Intelligenter arbeiten, mehr erreichen nennt David Rock fünf wesentliche Bereiche der sozialen Erfahrung, die das Gehirn entweder als Belohnung oder als Bedrohung erlebt. Man könnte auch sagen, diese fünf Bereiche sind so wichtig, dass Ihr Gehirn sie wie Fragen des Ãberlebens behandelt. Aufgrund ihrer groÃen Bedeutung stellt jeder einzelne von ihnen eine wichtige soziale Triebfeder dar. Zusammen bilden sie Davids SCARF-Modell. Diese Abkürzung steht für status (Status), certainty (Sicherheit), autonomy (Autonomie), relatedness (Verbundenheit) und fairness (Fairness). 6
Status
Beim Status geht es um die relative Bedeutung oder Position einer Person oder um die Hackordnung. Die Menschen nehmen groÃe Mühen auf sich, um ihren Status zu bewahren oder zu verbessern. Er ist so wichtig, dass er sowohl beim Menschen als auch bei Primaten als Hinweis auf Langlebigkeit gilt. Es ist sehr leicht, das Gefühl einer Statusbedrohung auszulösen. Schon das bloÃe Gespräch mit Ihrem Chef kann bedrohlich auf Sie wirken. Auch die Frage eines Kollegen, ob er Ihnen »Feedback« geben darf, kann als Statusbedrohung empfunden werden.
Die gute Nachricht lautet, dass es eine wunderbare Möglichkeit gibt, den eigenen Status zu verbessern, ohne anderen dadurch zu schaden, nämlich »gegen sich selbst zu spielen«, wie David Rock sagt. Indem Sie Ihre eigenen Fähigkeiten (wie etwa Ihr Handicap beim Golf)
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