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SECHS

SECHS

Titel: SECHS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Gerhardt
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eintrat, stellte er fest, dass das alles andere als ein Krankenzimmer war. Es war ein Arztzimmer.
    Aber die eigentliche Überraschung war, dass er bereits erwartet wurde.

-20-
     
    Während Melanie noch den Schlaf der Erschöpften schlief, die Ärzte um das Leben von Frank kämpften und sich Marija Zwetkow seit einer Stunde die Zeit mit ihren Ahnen vertrieb, verkündete das Handy von Arthur Rentsch um 10:15 Uhr brummend den Eingang einer Nachricht. Rentsch saß gerade am Schreibtisch und war damit beschäftigt, sich gedanklich auf den heutigen Abend einzustimmen.
    Rentsch quälte sich über seinen Bauch hinweg zum Handy und studierte neugierig das Display. Die Nachricht war von einem MMS-Dienst über das Internet versandt worden. Als er sie öffnete und sich das Bild aufbaute, schrak er zurück.
    Es war das Bild eines Toten.
    Nachdem er sich gesammelt und Mut gefasst hatte, schaute er genauer hin.
    Die Augen des Toten waren geschwollen. Aus der Nase führten dunkelrote Striche, wahrscheinlich getrocknetes Blut, zu den blau verfärbten Lippen. Die Nase schien etwas deformiert. Ebenso wie der Kiefer, der seltsam schief im Gesicht stand. Der geöffnete Mund zeigte Zahnreste, denen ebenfalls getrocknetes Blut anhaftete.
    Als Rentsch erkannte, um wen es sich da handelte, verlor das Foto sofort seinen Schrecken. Jetzt grinste er.
    Sirkowsky hatte seinen Job offenbar doch erledigt und die Sache ein für alle Mal aus der Welt geschafft.
    Das würde ein entspannter neunundvierzigster Geburtstag werden.

-21-
     
    „Herr Liebermann? Darf ich bekanntmachen? Ihre Schwester Corinna!“, sagte Frauke Zanner, als sie in das Arztzimmer eingetreten waren.
    Ben durchfuhr es heiß und kalt. Er war aufgeflogen!
    Vor ihm stand eine jüngere Version von Anna. Sie war von annähernd gleicher Größe und Statur. Die Haare ebenfalls hochgesteckt, eine Nuance heller, wohingegen die Augenfarbe in ein dunkleres Braun gingen. Die Gesichtszüge waren so fein und ebenmäßig, wie die ihrer Schwester. Und, wie Anna auch, trug Corinna ein elegantes Kostüm - nur grau, statt blau.
    Der wesentliche Unterschied zu Anna bestand darin, dass Corinna ihn feindselig musterte und voller Ablehnung, mit vor der Brust verschränkten Armen, dastand.
    „Ich bin schon sehr überrascht von Frau Liebermann zu hören, dass sie gar keinen Bruder hat, Herr ...?“
    „... David", antwortete er der Ärztin nach kurzem Zögern.
    „Aha. Herr David, also.“
    Ben nickte.
    „Unglücklicher Zufall, dass sich Frau Liebermann gerade bei mir zur Besprechung eingefunden hat.“
    „Kann man wohl sagen", bestätigte Ben, „aber meine Absichten waren ...“
    Bevor Ben zu Ende sprechen konnte, fiel ihm Corinna ins Wort.
    „Wie kommen Sie dazu, sich als ...“, sie rang nach Worten, „als unser Bruder auszugeben? Wer sind Sie denn überhaupt?“, herrschte sie ihn an.
    „Vielleicht sollte ich die Polizei rufen lassen! Was wollen Sie von meiner Schwester?“
    „Hören Sie ... ich bin ...“, startete Ben seine Verteidigung. Er kam nicht weit.
    „Ich komme hierher, um zu erfahren, wie es meiner Schwester geht, die das hier vielleicht ... vielleicht nicht überlebt, und treffe auf einen Hochstapler!“
    Ihr Gesicht färbte sich purpurn, und gleichzeitig rang sie mit den Tränen.
    „Ich bin kein Hochstapler. Ich wollte nur ...“
    Corinna ballte die Fäuste und streckte die Arme voller Anspannung nach unten durch, so als stützte sie sich auf ein imaginäres Reck.
    „Es ist mir völlig gleich, wie Sie es nennen! Hochstapler, Betrüger. Völlig egal!“, schrie sie.
    Obwohl Ben nachvollziehen konnte, was in der Frau vor sich ging, brachte ihn ihre unbeherrschte Art, mit der sie ihn andauernd um die Erklärung seiner Motive brachte, nunmehr selbst in Rage.
    „Wenn Sie mich mal ausreden ließen!“, blaffte er Corinna an. Die zuckte leicht zusammen und wich einen Schritt zurück.
    Aber auch die Ärztin wurde in Alarmbereitschaft versetzt. Es war zwar nicht selten, dass jemand die Contenance verlor, nur handelte es sich dabei meist um Angehörige - und die waren berechenbarer. Hier aber stand ein Fremder vor ihnen, dessen Motive völlig im Dunklen lagen und die beiden Frauen noch dazu um gut eineinhalb Köpfe überragte. Das machte die Sache gefährlich. Sicherheitshalber wich auch Frauke zurück. In Richtung Tür.
    „Da bin ich aber mal gespannt", kam es schnippisch zur Antwort.
    Ben atmete tief durch.
    „Um Anna sehen zu können, blieb mir doch gar keine andere

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