SECHS
Möglichkeit!“ Er schaute Frauke fragend an, um sich Bestätigung zu holen.
„Sie können von Glück sagen, dass ich nicht die Polizei gerufen habe. Frau Liebermann hat mich davon abgehalten, um Sie zur Rede stellen zu können.“
„Und welchen Vergehens habe ich mich schuldig gemacht? Dass ich jemanden sehen wollte, der mir ... irgendwie wichtig war?“
Daraufhin startete Corinna wieder durch.
„Wichtig? Irgendwie?“, rief sie aus.
„Wer glauben Sie, sind Sie, dass meine Schwester auf Ihren Besuch Wert legen könnte?“
„Und wer sind Sie, dass Sie bestimmen, von wem sie Besuch haben möchte?“, erwiderte Ben.
„ Ich bin die Schwester und Sie ein dahergelaufener ...“ Corinna biss die Zähne zusammen, um nicht zu sagen, was sie eigentlich sagen wollte.
Mit einer beschwichtigenden Handbewegung fuhr Frauke dazwischen.
„Tatsache ist, dass Frau Liebermann im Moment nicht selbst für sich entscheiden kann. Da ist es durchaus legitim, sogar nötig, dass die Angehörigen Entscheidungen treffen. Und Sie haben sicherlich keinerlei Befugnis, sich ungefragt einzumischen. Stellen Sie sich mal vor, ich lasse jeden Fremden einfach auf die Station und zu den Patienten vor!“
Ben ignorierte die Belehrung und wandte sich erneut Corinna zu.
„Ich kann verstehen, dass Sie sich im Moment um Ihre Schwester sorgen. Aber ich versichere Ihnen, das tue ich auch.“
„Woher kennen Sie Anna?“
„Ich kenne sie nicht", sagte Ben, „jedenfalls noch nicht lange. Um genau zu sein, erst seit heute Morgen.“
Corinna sah ihn verächtlich an.
„Und da glauben Sie, Anna wartet nur auf Sie?“
„Nein. Das tue ich nicht. Aber ich kann es nicht herausfinden, wenn ich es nicht versuche, oder? Und das ist ja schließlich kein Verbrechen.“
„Aber es ist nicht rechtens, die Situation ungefragt auszunutzen", unterbrach Frauke den Schlagabtausch.
Ben nickte. Sie hatte recht.
„Und, wie verfahren wir weiter?“, fragte er und schaute dabei zwischen den beiden Frauen hin und her. Frauke wies mit der Hand auf Corinna.
„Frau Liebermann, Ihre Entscheidung! Was machen wir mit dem Herrn?“
Corinna ließ sich mit der Antwort Zeit. Sie stand mit verschränkten Armen da und musterte ihn, den Kopf dabei abschätzend zur Seite geneigt.
„Vielleicht erklären Sie mir mal, wie und wo Sie Anna kennengelernt haben? Sie müssen ja wirklich sehr von sich überzeugt sein. Ich will wissen, mit wem Anna es zu tun hat, bevor ich Sie auch nur in ihre Nähe lasse.“
Ben missfiel die Arroganz in ihrem Ton, aber er beschloss, jetzt ruhig zu bleiben. Diese Frau saß eindeutig am längeren Hebel, konnte ihm den Zugang nach Lust und Laune verwehren. So fürchtete er auch, er könne Anna selbst dann nicht sehen, wenn er Corinna am Ende tatsächlich von seinen guten Absichten überzeugte.
„Ich war heute Morgen unterwegs. Irgendwann kurz vor sechs. Anna saß in ihrem Wagen und der wollte nicht anspringen. Da habe ich meine Hilfe angeboten und so kamen wir kurz ins Gespräch. Mehr war da nicht.“
„Ach? Wenn da nicht mehr war, warum sind Sie dann hier?“, hakte Corinna nach. Ihre Stimme war noch immer von Feindseligkeit durchwoben.
„Ich schätze, weil wir uns ... weil sie mir sehr sympathisch ist.“
„Und woher wussten Sie, was passiert ist?“
„Die Polizei hat mich angerufen.“
„Wie bitte?“
Corinna machte wieder einen Schritt auf ihn zu. Es schien ihm, als wolle sie die Lüge in seinen Augen entdecken.
„Glauben Sie es oder nicht. Es war so, wie ich sage!“
„Und warum sollte die Polizei gerade Sie anrufen? Waren sie auch gleichzeitig noch Zeuge des Unfalls?“
Kaum dass sie das ausgesprochen hatte, bekam ihre Stimme wieder diese hysterische Note.
„Oder haben Sie den Wagen gefahren, sind dann abgehauen und haben sie alleine lassen?“, giftete sie.
Ben schüttelte fassungslos den Kopf. Das war einfach völlig wirr.
„Hä? So ein Blödsinn! Überlegen Sie mal! Wenn dem so wäre, dann stünde ich nicht hier, sondern säße längst in einer Untersuchungszelle, weil mich mit Sicherheit irgendjemand gesehen hätte. Dann würde die Polizei mich wohl kaum erst anrufen. Oder glauben Sie, man bittet mich freundlich zum Revier?“
Corinna schwieg.
„Nein. Ich habe ihr geholfen, den Wagen anzuschieben. Sie wollte mich zum Dank auf einen Kaffee einladen und ich habe ihr meine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Das ist tatsächlich alles!“
„Und die Polizei? Wie ist die jetzt auf Sie gekommen?“, unterbrach
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