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SECHS

SECHS

Titel: SECHS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Gerhardt
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Angst.
    Plötzlich verstummten alle. So wie Singvögel verstummen, wenn der Schatten ihres Jägers über ihnen kreist. Und das machte Frank nicht mehr nur Angst, es ließ ihn erbeben. Denn was immer Es war, Frank spürte deutlich, dass Es noch dunkler war als alle Schwärze, die ihn umgab. Dann, mit einem Mal, ergoss sich in ihn die Gewissheit: Es war der Herr der Stimmen und sie alle hatten ihm sein Kommen verkündet.
    Er musste fliehen. Irgendwie. Frank zerrte an den unsichtbaren Fesseln seines Körpers. Doch es half nichts. Also schloss er die Augen in der Hoffnung, er würde nicht bemerkt. So wie das Kind, das sich unter der Decke versteckt, damit dieses Ding unter dem Bett nichts roch.
    Doch ihn roch Es, ihn würde Es finden. Denn das eisige Gefühl, dass Es sich unaufhaltsam durch die Finsternis fraß und immer näher kam, blieb.
     
    *
     
    Das EKG schlug wieder Alarm, schickte die Nachricht vom Kammerflimmern seines Herzens über feine Drähtchen in das Schwesternzimmer, verhallte dort aber ungehört.
     
    *
     
    Franks Geist bäumte sich auf und was alleine mit der Kraft seines Willens nicht zu schaffen gewesen war, das erledigte jetzt die Furcht. Er löste sich aus seinem Körper. Wie ein Tropfen Wasser, der sich durch eine enge Öffnung zwängt.
    Dann schwebte er wieder und sah Es kommen. Ein Schatten, dunkler als alles. Ein Schatten, der die Finsternis vor sich aufsog, in sich sammelte, verdichtete wie ein schwarzes Loch und dabei stärker und stärker wurde.
    Frank beobachtete das Geschehen von oben und plötzlich empfand er keine Angst mehr, sondern unendlichen Frieden.
    Im nächsten Moment nahm er wahr, wie ein gleißender Lichtkegel von oben durch die Dunkelheit schnitt, seinen leeren Körper einhüllte und einen behütenden Kreis um ihn warf.
    Wütend zischte Es und wich zurück. Und dann, so als ob die Ahnung seit dem Zeitpunkt seiner Geburt in ihm gesteckt und nur darauf gewartet hatte, zur Gewissheit zu werden, wusste Frank, wer Es war.
    Dann fühlte er etwas Merkwürdiges. Es war wie tausende Ameisen, die ihn bissen und den Körper unter ihm zum Zucken brachten. Eine Kraft, der sich sein Geist nicht widersetzen konnte, sog ihn nun wieder zurück und in das Licht hinein hallte von irgendwoher eine Stimme.
    „Wir haben ihn! Er ist wieder da!“

-61-
     
    Und weil der Tod Frank nicht hatte greifen können, wandte er sich wenig später eben Frauke zu. Doch dieses Mal wählte er eine andere Gestalt, sanft und säuselnd wie ein leichter Wind, der über grüne Wiesen streicht.

-62-
     
    Die Spurensicherung war abgeschlossen. Reimar hatte sich danach sofort auf den Rückweg ins Büro gemacht, um seinem Chef Bericht zu erstatten und, lästige Formalität, einen solchen zu schreiben. Was da hineinmusste war eine stumpfe Aneinanderreihung von blanken Fakten.
    Jetzt, im Feierabendverkehr der Autobahn, überlegte er sich, was die Faktoren der Summe waren, die zum Tod der Frau geführt hatten. Das ganze Ding warf eine Frage nach der anderen auf.
    Es fing damit an, dass die Tür angelehnt gewesen war, als er eintraf und endete damit, dass jemand allen Ernstes durch eine Glasscheibe sprang, um zu flüchten. Das zeugte von Entschlossenheit, aber eben auch von Dummheit. Denn von der Möglichkeit einmal abgesehen, sich dabei schwer zu verletzen, musste der Täter doch gewusst haben, dass so eine Einlage kaum möglich war, ohne dabei die eigene DNA zu hinterlassen? Aber vielleicht war ihm das ja egal, weil er wusste, er hatte sie schon überall hinterlassen? Fingerspuren, Fußspuren, Haut, Haare. Eben die ganze wunderbare Vielfalt humanbiologischer Hinterlassenschaften. Die Auswertung würde es zeigen. Vielleicht.
    In der Frage der Tür hatten seine ersten Ermittlungen ergeben, dass keine Spuren eines Aufbruchs zu finden waren. Damit lag für ihn der Schluss nahe, dass Frau Zanner sie freiwillig geöffnet haben musste, ja, den Täter vielleicht sogar kannte. Weil die Tür aber nur angelehnt gewesen war, schien ihm der Umkehrschluss nicht zwingend, dass sie den Täter auch hereingebeten hatte. Und wer war der große Unbekannte? Einen seiner ersten Gedanken, ein gehörnter Ehemann, hatte er bereits verworfen. Reimar wusste von den Nachbarn, dass Mann und Tochter verstorben waren. Ein enttäuschter Liebhaber blieb zwar im Rennen, aber eine weitere Möglichkeit, nämlich die, dass es hier vielleicht eine Verbindung zum Mord an der Zwetkow gab, schien ihm irgendwie noch plausibler. Denn zwei Angestellte desselben

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