Seefeuer
diesem Debakel wird Pohl die Lust auf seinen Auftritt
während des Promenadenfestes gründlich vergangen sein, so wie der gejammert
hat.«
»Welcher Auftritt denn?«
»Das wissen Sie nicht? Pohl ist nicht nur Jäger,
sondern auch aktiver Jagdhornbläser, ein ziemlich guter sogar, hab ich mir
sagen lassen. Es war geplant, dass er morgen früh vom Münsterturm aus einige
Solostücke bläst, so eine Art Morgenwecken. Im ›Seekurier‹ stand darüber eine
kurze Notiz.«
»Wär ihm nicht zu verdenken, wenn er das absagt.«
Marsberg sah auf die Uhr. »Legen wir los?«
»Ich schlage vor, wir trennen uns: Du siehst dich oben
in der Kanzlei um, ich übernehme die Tiefgarage. Außerdem fordere ich die
Spurensicherung an.«
»Ist bereits unterwegs«, meinte Schönwald. »Wir haben
übrigens unten großräumig abgesperrt.«
»Es geht doch nichts über hilfsbereite Kollegen.« Wolf
klopfte Schönwald anerkennend auf die Schulter. Dann machten sich alle drei auf
den Weg, jeder in eine andere Richtung.
***
Grimmig
warf Wolf den Hörer auf die Gabel. Dass es Pohl erwischt hatte, ging ihm nicht
sonderlich nahe; vermutlich hatte der Anwalt bei vielen krummen Dingern die
Finger drin, da musste er sich nicht wundern, wenn er sie sich verbrannte. Als
Polizist durfte Wolf das nicht laut sagen, aber er war schließlich auch nur ein
Mensch.
Was ihn im Augenblick viel mehr beschäftigte, war die
Frage, ob sie es erneut mit dem Pyromanen zu tun hatten oder ob der Anschlag
mit ihrem Mordfall zusammenhing.
Eine dritte Konstellation war außerdem denkbar, eine,
die ihm überhaupt nicht gefallen wollte: Es war möglich, dass die beiden Fälle
auf irgendeine Weise miteinander verflochten waren. Immerhin hatte es im Fall
Tammy nun schon zum zweiten Mal gebrannt. Aber wo war die Verbindung? Konnte es
sein, dass sie all die Tage etwas Entscheidendes übersehen hatten?
Wolf fühlte sich verunsichert, ein Gefühl, das ihm neu
war. Wütend riss er sein Barett vom Kopf und strich über die kahle Stelle.
Jetzt ein Pastis – das würde helfen, seine Gedanken zu ordnen. Gewohnheitsmäßig
goss er ihn in eine Kaffeetasse, ehe er die Flasche wieder an ihren Platz
zurückstellte.
Dann sah er auf die Uhr. Verdammt, gleich elf. Schnell
setzte er seine Kopfbedeckung an ihren angestammten Platz, da drängten auch
schon Jo und Vögelein herein.
»Na, als geheilt entlassen?«, fragte Wolf.
»Pah!«, erwiderte Vögelein wegwerfend. »Ärzte sind
Ignoranten, ausnahmslos. Können nicht einmal eine simple Sommersprosse von
einer bösartigen Wucherung unterscheiden. Gott sei Dank gehöre ich zu den
mündigen Patienten, die …«
Wolf hatte im Moment keinen Nerv für langatmige
Erklärungen und fiel ihm harsch ins Wort: »Entschuldige, aber ist Marsberg noch
nicht zurück?«
»Ist im Anrollen«, sagte Jo, »kann sich nur noch um
Minuten handeln. Wer möchte Kaffee?« Wolf tippte an seine Tasse und schüttelte
den Kopf, während Vögelein sich gar nicht erst angesprochen fühlte; in weiser
Voraussicht hatte er sich ein Mineralwasser mitgebracht.
Wolf nutzte die verbleibende Zeit, seine beiden
Mitarbeiter über den Anschlag auf Pohl zu unterrichten. Er war gerade zu Ende
gekommen, als Marsberg und Preuss zu ihnen stießen, jeder einen Notizblock
unter dem Arm und eine Tasse Kaffee in der Hand.
»Wo fangen wir an?«, fragte Marsberg, als alle ihren
Platz eingenommen hatten.
»Lasst uns mit Pohl beginnen«, schlug Wolf vor. »Ich
unterstelle, dass alle wissen, was vorgefallen ist. Begreiflicherweise muss
seine Vernehmung noch warten. Gravierender als deren zweifelhaftes Ergebnis
dürfte allerdings der Brandanschlag sein. Zunächst zu den Fakten: Nach Aussage seiner
Sekretärin hatte Pohl um zehn Uhr einen Termin bei einem Klienten in
Friedrichshafen. Etwa um neun Uhr zwanzig verließ er die Kanzlei und fuhr mit
dem Lift in die Tiefgarage. Wenige Minuten später hörte die Frau die Feuerwehr
heranfahren, dachte sich aber nichts dabei. Eine Dreiviertelstunde später
trafen wir am Tatort ein. Gleich als Erster lief uns Manfred Schönwald über den
Weg …«
»Dieser Brandschutzspezialist?«, fragte Preuss
dazwischen.
»Genau. Er informierte uns kurz über den Tathergang.
Demnach stieg der Anwalt in seinen Wagen und öffnete das Schiebedach. Plötzlich
flog etwas durch die Öffnung, das sofort das Wageninnere in Brand setzte. Zum
Glück für Pohl befand sich noch ein anderer Autofahrer in der Tiefgarage, der
den Brand mit einem mitgeführten
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