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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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dürften wir von ihm am ehesten etwas erfahren.«
    »Von ihm und von den Mitschülern. Falls die heute da
sind.«
    »Du sagst es.«
    Wenig später saßen sie dem stellvertretenden
Schulleiter gegenüber. Der drückte sein Bedauern über den tragischen Tod der
Schülerin aus, hielt sich aber ansonsten nicht mit langen Vorreden auf.
    »Ich halte es für das Beste, wenn ich Sie gleich zu
Herrn Hajek bringe. Niemand kannte Tamara besser als er. Er unterrichtet die
Klasse nicht nur seit drei Jahren – schwerpunktmäßig in Sport und Englisch –,
er ist auch ihr Tutor. Eigentlich hätte er heute frei, aber da Sie Ihren Besuch
angekündigt haben, ist er selbstverständlich anwesend. Übrigens: Ist die
Darstellung im ›Seekurier‹ aus Ihrer Sicht korrekt?«
    »Soweit sie den Leichenfund betrifft, ja. Aber Sie
werden verstehen, dass wir zu den dort angesprochenen Gerüchten keine Stellung
nehmen«, antwortete Wolf widerstrebend. Auf dem Weg zum Lehrerzimmer der
Mittelstufe fragte er nach den Eltern der Schülerin.
    »Tammys Eltern sind gestern benachrichtigt worden und
bereits unterwegs zum nächsten Flughafen. Sie machen gerade eine Rundreise
durch Australien und Neuseeland«, sagte von Carlfeld. »Wir rechnen Montag früh
mit ihnen.«
    »Wie sieht es mit den Mitschülern von Tamara aus,
insbesondere ihrem Bruder? Können wir mit ihnen sprechen?«, fragte Jo.
    »Den Bruder habe ich heute früh bereits gesehen. Auch
die meisten ihrer Mitschüler dürften im Haus sein.«
    Vor dem Lehrerzimmer blieben sie stehen. Von Carlfeld
klopfte pro forma an und trat ein, Wolf und Jo folgten. An einem der Tische saß
ein einzelner, Zeitung lesender Mann, der sich bei ihrem Eintritt erhob. Von
Carlfeld stellte sie einander vor.
    Gregor Hajek war, nach seinem Äußeren zu urteilen,
unzweifelhaft der Schwarm aller Mädchen – und ganz sicher nicht nur in seiner
eigenen Klasse. Ein Mann wie ein Baum, groß und athletisch gebaut, mit blauen
Augen und einer hellblonden, etwas wirren Mähne. Mit seiner bronzefarbenen
Bräune – wahrscheinlich nahtlos, dachte Wolf bei sich – und dem silbernen
Ohrring im rechten Ohr entsprach er geradezu beispielhaft dem weitverbreiteten
Wikinger-Klischee. Wolf schätzte sein Alter auf etwas über vierzig.
    »Guten Morgen«, grüßte Hajek mit einer bemerkenswert
sanften Stimme, die nicht so recht zu seinem Äußeren passen wollte. Dabei
drückte er die Hände der Besucher so kräftig, dass Jo nur mit Mühe einen
Schmerzenslaut unterdrücken konnte. »Ich hätte sie lieber unter angenehmeren
Umständen kennengelernt. Es ist einfach unfassbar.«
    »Sie haben gerade den Artikel über das Vorkommnis
gelesen?«, fragte Wolf und deutete auf den »Seekurier«, den der Lehrer bei
ihrem Eintritt aus der Hand gelegt hatte. »Was meinen Sie als Tamaras Lehrer zu
den dort geschilderten Fakten?«
    »Ich halte den Artikel für ausgesprochenen Blödsinn.
Tammy hat nicht getrunken und schon gar keine Drogen genommen, jedenfalls kann
ich mir das nicht vorstellen. Ich meine, das hätte ich als ihr Lehrer mitbekommen,
da hätte es entsprechende Anzeichen gegeben oder zumindest Bemerkungen seitens
der Mitschüler.«
    »Wissen Sie, ob sie Taucherin war?«, fragte Jo.
    »Ihr Bruder hat getaucht, dann liegt das ja wohl nahe,
oder?«
    »Und das in dem Artikel angeführte sogenannte
›Rosarote Ballett‹, was halten Sie davon?«
    »Diesen Hinweis finde ich mehr als daneben. So was
erwarte ich allenfalls in einem zweitklassigen Boulevardblatt, aber nicht in
einer bis dato seriösen Tageszeitung. Da wird, wenn auch reichlich
verklausuliert, an billige Instinkte appelliert, vermutlich mit Blick auf die
Auflage, man kennt das ja. Meine Schülerinnen haben mit so was jedenfalls
nichts zu tun, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Aber wieso fragen Sie? Sie
müssten doch eigentlich am besten wissen, ob es für solche Gerüchte in der
Vergangenheit Anhaltspunkte gab, oder sehe ich das falsch?«
    Während von Carlfeld Hajek mit heftigem Nicken
beipflichtete, fühlte sich Wolf etwas überrumpelt. »Ach wissen Sie, wenn wir
jedem Gerücht nachgehen wollten, hätten wir viel zu tun. Falls ich Sie recht
verstehe, ist Ihnen also an Tamara Reich in der letzten Zeit keine Veränderung
aufgefallen, würden Sie dem zustimmen?«
    »Was heißt Veränderung … sie war in den
zurückliegenden Wochen etwas unkonzentriert, nicht ganz bei der Sache, ja.
Manchmal wirkte sie sprunghafter und hektischer als früher. Aber das kommt bei
Mädchen in diesem

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