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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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vergeblich, dem Blick seines Chefs zu begegnen. »Sie hat eine Tabelle über alle Bewohner seit Inbetriebnahme des Heims erstellt und halb ausgefüllt. Ich weiß nicht, was der Datenschutz dazu sagen würde, was meinst du, Heimir? Soll ich das weiter ausfüllen?«
    Heimir tat so, als habe er sich genau über diesen Punkt schon viele Gedanken gemacht, konnte seine Mitarbeiter aber nicht täuschen. Sie kannten ihn besser.
    »Ich muss mal in meine Notizen schauen, aber ich weiß noch, dass wir die Sache sehr gründlich besprochen und befunden haben, dass daran nichts Ungesetzliches ist«, sagte er.
    »Dann müssen wir das nicht noch mal aufrollen. Wenn Róberta es so gemacht hat, dann hast du es seinerzeit sicher für richtig befunden. Sie hätte niemals eine Anweisung umgangen. Dann kann ich ja einfach weiter recherchieren«, sagte Óðinn und zuckte achtlos mit den Schultern. »Oder?«
    Jetzt konnte Heimir die Frage nicht mehr verneinen, ohne zuzugeben, dass er nicht über die Sache Bescheid wusste.
    »Was willst du denn recherchieren?«, fragte Diljá und verschränkte die Arme unter ihren Brüsten, so dass sie mehr vorstanden, als der Hersteller des BHs jemals beabsichtigt hatte. Óðinns Platznachbar schnappte nach Luft, als hätte ihm jemand in den Bauch getreten. Auch Diljá registrierte die Reaktion ihres Lovers von der letzten Betriebsfeier und grinste ganz kurz, bevor sie weitersprach. »Du weißt schon, intime Dinge über die Heimbewohner oder nur das, was im Telefonbuch steht?«
    »Kommt drauf an.«
    Óðinn sah, dass die Protokollantin eingenickt war. Er konnte es ihr nicht verdenken – niemand las die Protokolle, und an ihrer Stelle hätte es ihn gereizt, irgendwelchen Unsinn hineinzuschreiben, um es zu beweisen.
    »Es gibt, wie gesagt, eine Tabelle mit den Namen aller Bewohner, ihrem Geburtsdatum und Geburtsort, dem Grund für ihren Aufenthalt in Krókur, ihrer jetzigen Adresse, ihrem Beruf und gegebenenfalls ihrem Todesdatum. Außerdem gibt es eine Spalte für die Familienverhältnisse, die noch leer ist. Fragt sich, ob Róberta dort den Status zum Zeitpunkt des Heimaufenthalts oder den heutigen eintragen wollte. Die einzigen vollständigen Spalten sind die mit Namen und Geburtsdaten, ansonsten fehlt noch unterschiedlich viel.«
    »Woher weißt du, dass keine Namen fehlen?«, fragte Diljá. Sie hatte Óðinn offenbar nicht verziehen, dass er in der letzten Woche so kurz angebunden gewesen war, und wollte ihm das Leben schwermachen. »Ich meine, vielleicht wollte sie noch hundert weitere eintragen. Du kannst dir doch gar nicht sicher sein, dass die Tabelle vollständig ist.«
    Sie lächelte ihn spöttisch an. Zwischen ihren feuerroten Lippen, die dieselbe Farbe hatten wie ihre Fingernägel, blitzten strahlend weiße Zähne auf. Sie erinnerte Óðinn an eine Nebendarstellerin in einem Vampirfilm. Sein Platznachbar rutschte auf seinem Stuhl herum und schien es nicht erwarten zu können, den Raum zu verlassen.
    »Ich habe das mit dem Heimverzeichnis abgeglichen, die Zahl stimmt.«
    Óðinns Füße juckten. Er musste dringend aufs Klo, um dort seine Socken auszuziehen. Mit nackten Füßen ginge es ihm bestimmt besser.

    Óðinn war ziemlich zufrieden mit seiner Tagesleistung. Er hatte zahlreiche Felder in der Tabelle ausgefüllt, und die restlichen gehörten vor allem zu ehemaligen Heimbewohnern, die als Erwachsene ins Ausland gezogen waren. Es gab keinen Anlass, ihre Adressen herauszusuchen, bevor nicht klar war, ob weitere Maßnahmen ergriffen werden mussten. Warum Zeit daran verschwenden, wenn in dem Heim alles in bester Ordnung gewesen war? Bisher hatte er jedenfalls nichts Unrechtmäßiges entdeckt. Er musste die Unterlagen zwar noch genauer durchforsten, aber es schien nichts vorgefallen zu sein, das Ansprüche auf Schadenersatz rechtfertigte. Der Aufenthalt musste zwar für die armen Jungen hart gewesen sein, schien aber weit von dem entfernt zu sein, was in ähnlichen Einrichtungen, die bereits untersucht worden waren, passiert war.
    Das Interessante war, dass die Jungen, anders als in anderen Heimen, nicht wegen schwieriger Familienverhältnisse nach Krókur geschickt worden waren. Sie hatten alle etwas auf dem Kerbholz, allerdings keine schweren Vergehen. Man war davon ausgegangen, es täte ihnen gut, im Heim zur Ruhe zu kommen. Aus einer alten Akte ging hervor, dass das Heim als Besserungseinrichtung für auf die schiefe Bahn geratene Jungen galt.
    In den anderen Heimen lebten hingegen Kinder, um

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