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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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haben?«, fragte er. Die Wut war gänzlich aus seiner Stimme gewichen, und er klang jetzt eher weinerlich, was ihn furchtbar nervte.
    »Ich habe keinen blassen Schimmer. Woher soll ich das wissen? Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, warum sie das gemalt hat. Vielleicht soll es ja nur eine Achterbahn mit schreienden Leuten sein.«
    Die Erklärung war heikel, aber durchaus vorstellbar. Er musste Rún darauf ansprechen, wollte sie aber nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Deshalb hatte er sie nicht direkt gefragt, obwohl er gesehen hatte, wie genau sie seine Reaktion verfolgt hatte, als er die Blätter eingesammelt hatte. Er hatte einfach so getan, als sei alles ganz normal. Óðinn spürte, wie es ihn erschöpfte, ständig alle mit Samthandschuhen anfassen zu müssen.
    »Ist es denkbar, dass sie in Róbertas Sachen rumgewühlt und etwas über den Vorfall gefunden hat? Das hättest du doch bestimmt gehört, oder?«
    Diljá pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
    »Ja, wahrscheinlich. Ich weiß nicht genau. Natürlich hört man alles, aber Rún hätte durchaus leise etwas durchblättern und anschauen können, ohne dass ich es bemerkt hätte. Aber das glaube ich nicht. Seit wann finden Kinder Aktenordner spannend?«
    Óðinn tat es leid, sich mit Diljá gestritten zu haben. Trotz all ihrer Fehler musste man es ihr lassen, dass sie ein schillernder Charakter war, eine der wenigen, die den Büroalltag ein bisschen lebendiger machten.
    »Sag mal, wenn wir schon darüber reden, wie hellhörig es hier ist, hast du mal mitgekriegt, dass Róberta bedroht wurde? Hat sie das jemals erwähnt?«
    Diljá schüttelte den Kopf, immer noch mit verschränkten Armen. Jetzt war sie auf der Hut, als würde Óðinn sie jeden Moment beschuldigen, Róberta bedroht zu haben.
    »Nein.« Dann hellte sich ihr Gesicht auf, und sie fügte wichtigtuerisch hinzu: »Sie hatte allerdings mal einen höchst merkwürdigen Anruf. Sie wurde plötzlich laut und war ganz aufgeregt, sprach von irgendwelchen E-Mails und fragte die Person am anderen Ende der Leitung, ob sie ihr Mails geschickt hätte. Nachdem sie aufgelegt hatte, habe ich sie sofort danach gefragt, aber sie wollte nicht darüber reden. Hat nur eine Bemerkung gemacht, die ich nicht verstanden habe.«
    »Weißt du noch, welche?«
    »So was in der Richtung, dass manche Leute eben speziell seien, dass sie das hätte wissen müssen, sie sei ja gewarnt worden, dass diese Person nicht ganz bei Trost sei, aber das gehöre eben zu ihrer Arbeit und sie müsse sich damit abfinden.« Diljá wippte mit ihrem Bein. »Dann hat sie noch was total Blödes hinzugefügt, das gegen mich gerichtet war, von wegen, sie würde ja keine Geschichten über andere Leute in Umlauf bringen, auch wenn die sich unmöglich verhalten würden, sie wüsste ja, wie man sich zu benehmen hätte. Als ob ich das nicht ganz genauso machen würde?!«
    Es war weder der rechte Ort noch die rechte Zeit, um mit Diljá über ihre Diskretion zu diskutieren, und Óðinn begnügte sich damit, sich zum Schein ein bisschen über Róberta zu echauffieren.
    »Hat sie gesagt, ob es ein Mann oder eine Frau war und woher sie die Person kannte?«, fragte er dann.
    »Nein, falls sie das erwähnt hat, habe ich es wieder vergessen. Aber es kam mir eher so vor, als wollte sie das Geschlecht des Betreffenden nicht preisgeben, und sie hat auch nicht gesagt, woher sie ihn kannte, aber es hatte auf jeden Fall was mit der Arbeit zu tun. Ich glaube aber, dass es eine Frau war. Frauen in ihrem Alter regen sich über Männer anders auf als über Frauen, das war ein bisschen wie bei einem Zickenkrieg.«
    Diljás wohlgeformtes Bein stoppte, sie machte ein ernstes Gesicht und sah plötzlich ganz fremd aus.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass du dieses Projekt nicht übernehmen sollst. Da stimmt irgendwas nicht. Róberta wurde mir richtig unheimlich. Sie hat die ganze Zeit das Foto von diesen Jungen angestarrt und war echt seltsam. Und jetzt bist du auch schon am Durchdrehen.«
    Óðinn war nicht sehr glücklich über die Richtung des Gesprächs und fragte:
    »Weißt du, ob sie mit Leuten aus dem Heim gesprochen hat?«
    In Róbertas Zeiterfassung stand nichts darüber, aber wenn sie angerufen wurde und E-Mails bekam, musste sie mit Außenstehenden über den Fall gesprochen haben. Mit jemandem, der Interesse daran hatte, die Untersuchung zu stoppen. Und Óðinn wollte wissen, warum. Er wollte zwar nicht, dass der Bericht etwas Schlimmes zutage brachte, aber

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