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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Schloss zu stecken. »So ein Mist!«
    »Der passt bestimmt nur auf die Wohnung und nicht aufs Haus«, sagte Óðinn erleichtert. Róberta musste sich darauf verlassen haben, ins Haus zu gelangen, indem sie bei den Nachbarn klingelte. Er unterdrückte ein zufriedenes Lächeln.
    Da ging Diljá zu den Klingelschildern und drückte willkürlich auf eine Klingel. Als niemand antwortete, probierte sie die nächste, während Óðinn sie schweigend beobachtete. Was konnte er tun? Er würde Diljá jedenfalls nicht gewaltsam zurück auf die Straße zerren. In seinen Augen war das der Prüfstein: Wenn sie es schaffte, in den Flur zu kommen, würde er ihr folgen und sich zusammenreißen. Wenn nicht, würde er so tun, als sei er enttäuscht, und sie würden zurück ins Büro fahren.
    »Ja, Hallo!« Diljá hätte fast das helle Kunststoffgitter vor der Sprechmuschel geküsst. Ein schrilles »Hallo« schallte zurück wie aus einer Blechdose. »Wir wollen nur ein paar Sachen aus Róbertas Wohnung holen. Sie hat Unterlagen aus dem Büro mit nach Hause genommen, die wir wiederhaben müssen.«
    Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Weder ihren Namen noch um welchen Arbeitsplatz es sich handelte, wie sie in die Wohnung kommen wollte oder sonst etwas.
    »Na also«, sagte Diljá, als ein Summen ertönte, und griff nach der Türklinke.
    Der Teppich im Hausflur war an einigen Stellen so abgetreten, dass er nur noch aus einzelnen Fäden bestand, besonders vor den Wohnungen. Im ersten Stock war es fast deprimierend zu sehen, welche Mühe sich Róberta gegeben hatte, damit es hübsch aussah. Auf dem Teppich vor ihrer Wohnungstür lag eine Fußmatte, auf der Herzlich willkommen! stand. An der Tür hing ein Schild mit der Aufschrift: Home sweet home. An die Seitenwand hatte sie eine Vase mit schlecht imitierten Plastikblumen gehängt. Sie waren genauso verstaubt wie die künstlichen Blumen im Büro, und Óðinn überlegte, ob Róberta die mit ausgesucht hatte.
    »Was passiert wohl mit dem ganzen Kram?«, fragte er.
    »Der landet bestimmt in der Resterampe. Oder auf dem Müll. Ich bezweifle, dass ihre Verwandten sich wegen dem Zeug in die Haare kriegen.«
    »Wohl kaum.«
    Óðinn musste an seine eigene Wohnungstür denken. Sie war genauso anonym wie die Türen der unbewohnten Wohnungen auf den anderen Etagen. Kein Home sweet home . Ihm fiel ein, dass seine Nachbarin eine Fußmatte vor ihrer Wohnungstür liegen hatte. Es war anscheinend üblich, dass die Leute ihre Wohnungen auf irgendeine Weise markierten, aber er war einfach nicht der Typ dafür.
    »Igitt, hier war aber lange keiner mehr!« Diljá schnupperte, so dass zwei große Schneidezähne aufblitzten. Für einen Moment erinnerte sie Óðinn an ein Kaninchen.
    Staubkörnchen flimmerten in der Luft, und es roch abgestanden, als wäre seit ewigen Zeiten nicht mehr gelüftet worden. Diljá machte Licht, und sie betraten die Wohnung. Auf den ersten Blick wirkte alles sehr ordentlich. Überall Figürchen und ziemlich kindischer Nippes, alles an seinem Platz und nirgendwo lag etwas herum. Die Schuhe auf der Schuhablage im Flur schienen mit einem Lineal aufgereiht worden zu sein. An einem Haken darüber hingen zwei Handtaschen, klein und schick, wobei Óðinn sich nicht erinnern konnte, Róberta jemals damit gesehen zu haben. Wahrscheinlich hatte sie eine davon bei der Betriebsfeier mitgehabt, doch Óðinn konnte sich unmöglich daran erinnern, was sie an dem Abend getragen hatte, geschweige denn, welche Tasche sie dabeigehabt hatte. Er vermutete, dass es seinen Kollegen genauso ging, zumindest den Männern. Keiner von ihnen würde sich daran erinnern, wie Róberta sich für das letzte Betriebsfest zurechtgemacht hatte. Óðinn wollte Diljá danach fragen, aber sie kam ihm zuvor:
    »O Mann, das wirkt, als hätte sie gewusst, dass sie nicht mehr wiederkommt. Das ist ja superordentlich hier. Sie hat garantiert gespürt, dass sie sterben wird.«
    Óðinn war derselben Meinung, wollte Diljá in ihren Theorien aber nicht noch bestärken.
    »Vielleicht hat bei ihr nie was rumgelegen. Manche Leute sind geborene Ordnungsfanatiker, bei denen steht immer alles in Reih und Glied. Hoffentlich ist die ganze Wohnung so, dann finden wir schnell, wonach wir suchen. Falls sie überhaupt Unterlagen mit nach Hause genommen hat«, sagte er und sah, wie Diljá eine bläuliche Figur in die Hand nahm, ein dralles, breit lächelndes Kinderfigürchen, das ein Schneckenhaus hochhielt wie einen Schatz. »Mach bloß nichts

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