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Seelenband

Seelenband

Titel: Seelenband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Zeißler
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Sie können mir nicht helfen", fügte er hinzu. "Es braucht nur ein wenig Zeit."
Sie gingen schweigend nebeneinander her und Valerie begann, sich äußerst unwohl zu fühlen. Es war ihr mittlerweile klar, dass John nur mitgekommen war, weil sie ihn bedrängt hatte. Dabei hatte sie ihm bloß danken wollen. Sie überlegte schon, wie sie die Situation, die ihnen beiden anscheinend eher unangenehm war, beenden konnte, als John sie plötzlich ansprach.
"Was ist das Besondere an einem Mongolischen Grill?" fragte er.
Sie sah ihn überrascht an und erkannte, dass er sich aufrichtig bemühte. "Nun, es gibt da eine breite Auswahl verschiedener frischer Zutaten - Gemüse, Fisch und Fleisch - und man stellt sich selbst zusammen, was man essen möchte. Es wird frisch zubereitet und dann serviert."
"Das hört sich wirklich gut an."
"Ah, da ist es ja schon." Valerie deutete auf einen mit asiatischen Zeichen und Mustern verzierten Eingang.
Sie gingen hinein und bekamen einen Tisch für zwei Personen zugewiesen. Nachdem sie ihre Getränke bestellt hatten, gingen sie zum Buffet hinüber. Während John mit seiner Auswahl schnell fertig war, ging Valerie bedächtig an dem langen Buffettisch entlang. Nachdenklich ging ihr Blick zwischen Champignons und Austernpilzen hin und her und sie konnte sich einfach nicht entscheiden, was sie nehmen sollte. Als sie hinter sich ein ungeduldiges Räuspern hörte, tat sie sich schnell ein wenig von beidem auf den großen Teller. Die Pilze waren ja nicht wirklich das, was sie beschäftigt hatte, sondern John. Sie dachte an ihn, wie er nun einsam an ihrem Tisch saß und teilnahmslos auf seine verschränkten Hände starrte, anstatt sich neugierig im Lokal umzusehen, die anderen Leute zu beobachten oder auch nur ungeduldig in ihre Richtung zu schauen und ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, weil sie so lange brauchte.
Was stimmte nur nicht mit ihm?
Schließlich gab Valerie ihren Teller an der Kochtheke ab und ging zu ihrem Tisch zurück.
Er blickte auf und sie fragte sich, worüber sie nun sprechen sollten. Obwohl er, wenn ihr Gefühl sie nicht trog, vermutlich auch nichts gegen Schweigen gehabt hätte. Er sprach ohnehin selten und nun kam bei ihr das Gefühl hinzu, dass er sie nicht einmal richtig ansehen wollte.
Plötzlich spürte Valerie, wie Ärger in ihr aufstieg. Wieso war er überhaupt mitgekommen, wenn es ihm so viel ausmachte? Sie hatte ihn sicherlich nicht gezwungen!
"Sind Sie gestern bei der Polizei gewesen?" fragte John sie unvermittelt. Seine Stimme war ruhig und es lag sogar eine Spur echter Neugier darin.
Erstaunt sah Valerie ihn an. Es war, als ob er ihre Stimmung gespürt hätte und nun versuchte, sie wieder zu besänftigen.
"Ja, ich bin da gewesen", erwiderte sie widerwillig. Plötzlich erinnerte sie sich, dass er vermutlich noch einen weiteren Grund hatte, sie danach zu fragen. "Ich habe allerdings nichts von Ihnen erzählt", fügte sie leise hinzu.
"Wieso?"
"Nun ja", Valerie stockte. Wie sagte man jemandem, dass man ihn im Grunde für einen Verbrecher oder zumindest für einen illegalen Einwanderer hielt? "Ich hatte den Eindruck, das wäre Ihnen so lieber gewesen", sagte sie ausweichend.
"Das war sehr rücksichtsvoll von Ihnen", erwiderte er.
Valerie nickte, auch wenn ihr aufgefallen war, dass er ihre Vermutung damit weder bestätigt noch entkräftet hatte. Sie hatte keine Lust mehr auf Halbwahrheiten. Sie wollte ihn schon danach fragen, als er plötzlich den Kopf hob und sie direkt anschaute. Valerie schauderte unter der Intensität seiner unheimlichen Augen, wandte ihren Blick aber nicht ab.
"Danke", sagte er schließlich leise. Und als hätte er ihre Neugier und ihre Besorgnis gespürt, fuhr er fort: "Ich habe nichts getan, wofür mich die Polizei suchen würde. Es ist nur ..."
"Sie sind illegal eingereist, nicht wahr?"
Er sah sie prüfend an. "Woher wissen Sie das?"
"War nur so ein Gefühl. Woher kommen Sie, aus Osteuropa?" fragte sie neugierig.
"So ungefähr", sagte er ausdruckslos.
"Und woher genau?"
"Spielt das eine Rolle?"
Valerie schüttelte den Kopf. Rumänien, Bulgarien, Slowenien, es gab so viele von diesen Staaten, die ihr kaum etwas sagten. "Wie war denn das Leben dort?"
"Anders."
"Weshalb sind Sie von dort weggegangen?"
Seine Augen verschleierten sich. Er atmete tief durch. "Wegen meiner Frau."
"Sie sind verheiratet?" entfuhr es Valerie überrascht.
"Ich war es. Sie ist gestorben."
"Oh mein Gott, das tut mir leid", murmelte sie betroffen.
"Ja, mir auch."
Valerie

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