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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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absolut keine Antworten auf die Fragen, die uns die Menschen über Gott stellen.«
    Er sah sie ernst an. »Oder haben Sie mit Ihrer Archäologie schon irgendwo unseren lieben Gott gefunden? Haben sich nicht schon die Höhlenmenschen gegenseitig die Schädel eingeschlagen?« Er winkte ab. »Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen, Sie haben’s ja studiert. Wir Geistlichen, und da spreche ich auch für meinen Bruder da unten im Keller, werden auf die Menschen losgelassen ...«, er überlegte, schwieg einen Momentund schüttelte dann den Kopf, »... aber wir haben keine Antworten für sie. Wir drohen ihnen mit ewiger Verdammnis und verweigern ihnen die Letzte Ölung, wenn sie sich widersetzen.«
    »Genau wie dem alten Abbé«, sagte Marie traurig und nickte, während sie den Hals der Cognacflasche gedankenversunken musterte.
    »Woher wissen Sie das?« Pierre war überrascht.
    »Jeder hier weiß es«, murmelte sie. »Bruder Severin hat es uns selbst gesagt, als er aus seinem Zimmer kam.« Ihre Augen waren glasig und leer, ihre Stimme ohne Leben. »Er hätte es einfach nicht tun können.«
    »Bruder Severin hat dem alten Abbé Saunière die Beichte abgenommen und ihm die Letzte Ölung verweigert?« Er traute seinen Ohren nicht.
    Marie nickte wortlos. Ihre Augen waren halb geschlossen. »Mir ist so ... warm.« Nur langsam brachte sie die Worte über ihre Lippen.
    »Ist Ihnen nicht gut?« Besorgt faßte er ihr ans Kinn und drehte ihren Kopf in seine Richtung. »Sehen Sie mich mal an!«
    »Ich kann nicht«, murmelte sie schläfrig. »Alles dreht sich.« Ihr Gesicht hatte eine frische Röte angenommen.
    »Gütiger Himmel!« flüsterte er erschrocken. »Sie sind ja betrunken.« Noch ehe er reagieren konnte setzte sie die Flasche nochmals an ihre Lippen. »Halt! Jetzt ist es aber genug«, sagte er leise und nahm den Cognac an sich. »Lassen Sie mir auch noch einen Schluck übrig!«
    Matt sank sie vornüber an seine Brust. Oh, Mann! Sie war ihm noch nie so nah gewesen. Ihr weiches Haar berührte sein Gesicht. Der Duft ihres Parfüms war atemberaubend.
    Er räusperte sich energisch und drückte sie mit sanfter Gewalt von sich weg gegen die Rückenlehne der Kirchenbank. »Wenn Sie mal einen Augenblick so sitzen bleiben könnten?« Von Marie kam keine Antwort, nur ein Murmeln, als er aufsprang und mit einigen Sätzen zum Beichtstuhl hatzte, um ein Kissen herauszuholen. Es bedurfte nur eines sanften Drucks von der Seite und sie kippte langsam, unter ständigem Gemurmel auf die Kirchenbank, direkt auf das Kissen, das er für ihren Kopf zurechtgelegt hatte. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß sie während ihres Nickerchens nicht von der Holzbank kippen konnte,wandte er sich dem Altar zu, stellte die Kerzenleuchter zur Seite, nahm das Altartuch herunter und deckte sie vorsichtig damit zu. Maria Magdalena, die über ihnen stand, lächelte lieblich.
    Er setzte sich neben sie auf die Bank und lauschte dem ruhigen Rhythmus ihres Atems. Eine Flut von Gedanken drängte sich gleichzeitig durch die Windungen seines Gehirns. Was sollte er mit seinem Vorgänger da unten in der Grube machen? Warum hatte ihm Bruder Severin verschwiegen, daß er es war, der dem rätselhaften Abbé die Sterbesakramente verweigert hatte? Pierre schnaufte und sah zu Marie herunter. Sie atmete immer noch ruhig vor sich hin und schlief.
    Während er darüber nachdachte, ob Bruder Severins Angst vor irgend etwas oder vor irgendwem, mit der Beichte zusammenhing, die er dem alten Abbé vor seinem Tod abgenommen hatte, kramte er in der Tasche seiner Soutane nach dem Schlüssel und dem Stoffetzen, den sie vorhin in der Statue gefunden hatten, als plötzlich etwas mit hellem Geklimper auf den Kirchenboden fiel. Der Anhänger mit den zwei ineinander geschlungenen Davidsternen, den er im Haus des Totengräbers gefunden hatte. Er hob ihn wieder auf und betrachtete ihn in Gedanken versunken.
    Hatte ihm dieser Olivier nicht davon erzählt, daß der alte Abbé krankhaft von der Zahl Zwei besessen war, und er die Figuren hinter dem Altar – Maria und Josef – erst aufstellen wollte, als jede von ihnen auch wirklich ein Jesuskind auf dem Arm hielt? Das mußte doch irgendeinen Grund haben. Auch die seltsame Figurengruppe, die Maria mit den zwei Knaben zeigte, von denen jeder diesen Davidstern um den Hals trug. Der Alte wollte ihnen doch irgend etwas mitteilen. Vielleicht war Severin der einzige, der es wußte. Vielleicht war dieses Geheimnis, das der alte Saunière

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