Seelenbrand (German Edition)
hielt sich den Mund zu.
»Oah! Sie ... Lump!« Erleichtert kniff sie ihn kräftig in den Oberarm.
Es fühlte sich an, wie der Biß eines Maultiers. »Aua!« schrie er auf.
Sie hielt ihm sofort ihre warme Hand vor den Mund. »Psst! Sie Memme! Sie verjagen ihn noch!«
Ja, er mußte zugeben, daß er schon lange keine derartigen Spielchen mehr gemacht hatte. Es erinnerte ihn an seine Jugend, als die Welt noch in Ordnung war ... diese Herumschleicherei und dann dieses Getuschel mit Marie ... Einfach herrlich!
Langsam bewegte sich das Licht genau unter ihnen vorbei.
»Vielleicht fällt er in eine Grube ... dann haben wir ihn!« flüsterte Marie.
Plötzlich blieb die Person stehen. Sie wichen mit ihren Köpfen zurück in den Glockenturm.
»Glauben Sie, daß er etwas gemerkt hat?«
Ihre Lippen waren ihm ganz nah. Er spürte ihren Atem an seinem Mund. Hier oben konnte man zwar nicht einmal seine Hand vor Augen sehen, aber dafür fühlte er ihre Nähe um so intensiver. Oh Mann! Welch eine Nacht!
»Ich glaube nicht, daß er weiß, daß wir hier sind«, hauchte er zurück und schob sich wieder vorsichtig aus dem Fensterloch. Marie tat es ihm gleich und ihre warme Seite lag direkt an der seinen. Dieser geheimnisvolle Leuchtkäfer da unten setzte sich wieder in Bewegung ... und kroch Meter für Meter voran.
»Ich glaube, der sucht etwas.«
Ihre zarten Lippen berührten ihn kurz am Ohr. Uiih! Der Stromstoß ging durch seinen ganzen Körper! Diese Ratte da unten wurde für ihn immer mehr zur Nebensache ...
Sie starrten beide wie gebannt auf den Lichtpunkt. Der aber verharrte bewegungslos an seiner Stelle. Wenige Augenblicke später war ein kratzendes oder schabendes Geräusch zu hören. Die Laterne des nächtlichen Besuchers erleuchtete mit ihrem schwachen Schein die umliegenden offenen Gruben.
»Der macht sich an einem Grab zu schaffen.« Pierre kniff die Augen zusammen. »Genau gegenüber von dem Loch, in das ich reingerutscht bin!«
»Da liegen doch die Gräber vom alten Saunière und seiner Haushälterin«, wisperte Marie zurück und stieß ihm aufgeregt in die Seite.
»Ja, Sie haben recht. Jetzt wird’s wirklich interessant!« Langsam und vorsichtig zogen sie sich aus dem Fensterloch in das Innere des Turms zurück. »Ich werde mir das da unten mal genauer ansehen.« Er drückte ihr die glimmende Laterne in die Hand. »Und Sie bleiben hier! Wer weiß, was dieses Subjekt sonst noch im Schilde führt.«
»Seien Sie vorsichtig!« zischte ihm Marie hinterher, als er durch die dunkle Luke in den Treppenabgang verschwand.
So schnell er konnte tastete er sich mit den Händen an der Wand entlang; Schritt für Schritt bis er im Kirchenraum die vorderste Bank erfühlen konnte. Ab hier fand er den Weg zur Tür auch mit verbundenen Augen.
Als er vorsichtig aus dem Portal der Kirche trat, hatte er sich bereits an die völlige Dunkelheit gewöhnt. Es war eine sternenklare Nacht und die Schatten um ihn herum leiteten ihn sicher an der Wand der Kirche entlang zum Friedhof, dessen Tor an einer Stelle zwischen zwei Mauern lag, an der schwärzeste Finsternis herrschte.
Verdammt! Hier muß sie doch irgendwo sein.
Vorsichtig tastete er mit seinen Händen nach der Alarmanlage, die er am Nachmittag in diesem engen Durchgang aufgebaut hatte. Es wäre doch dämlich, jetzt über seine eigene Konstruktion zu stolpern und dieser Ratte sein Erscheinen auch noch anzukündigen.
Wo ist denn nur ...? Ah, da ist schon mal der Faden!
Vorsichtig stieg er mit einem großen Schritt über die unsichtbare Schnur. Warum diese eigentlich todsichere Alarmanlage bei seinem Phantom versagt hatte, war ihm ein Rätsel, aber er betrachtete es als eine Warnung. Der Unbekannte war offensichtlich ein listiger Fuchs – Pierre schob sich die Ärmel hoch –, dem er aber gleich sein Fell abziehen würde. Langsam steckte er den Kopf durch das halbgeöffnete Friedhofstor.
Gott sei Dank! Er ist noch da!
Es lagen etwa nur zwanzig oder dreißig Meter zwischen ihnen. Der Fremde – es war ein Mann, das war alles, was er aus dieser Entfernung erkennen konnte – machte sich tatsächlich mit einer Stange oder einem Brecheisen an der Grabplatte des alten Abbé oder seiner Haushälterin zu schaffen. Zwischendurch hielt er immer wieder inne und spitzte seine Ohren.
Das ist ja ein ganz gerissener Hund!
Wie ein Panther auf der Jagd glitt Pierre geschmeidig durch das Tor auf den Friedhof und versteckte sich hockend hinter einem großen Grabstein, dessen schwarzer
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