Seelenbrand (German Edition)
Abbé Bigou soll als einziger das Geheimnis der Familie Blanchefort gekannt haben, das sie von Generation zu Generation weitergegeben haben.«
»Welches Geheimnis?« Ratlos suchend sah er sich um und zeigte schließlich auf die Treppe, die in den Hauptturm hinaufführte. »Versuchen wir es mal dort oben. Hier unten gibt es ja absolut nichts Interessantes ...«
»Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht ...«, Marie ging hinter ihm die mit Blumen und Gras bewachsenen Stufen hinauf, »... warum dein Vorgänger, der alte Abbé Saunière, plötzlich angefangen hat, auf dem Friedhof alle Gräber aufzureißen?«
Pierre blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Der Innenhof lag schon einige Meter unter ihnen. »Glaubst du, daß er im Grab dieser letzten Blanchefort etwas gesucht hat?«
Nach einigen Treppenwindungen erreichten sie schließlich eine massige, eisenbeschlagene Tür, die halb offenstand.
Sie zuckte mit den Achseln. »Vielleicht hat er Hinweise voneinem seiner Vorgänger gefunden ... vielleicht sogar von diesem Beichtvater Abbé Bigou selbst, der wußte, wo das Geheimnis der Blancheforts versteckt war.«
»Hm ...«, Pierre kratzte sich am Ohr. »Und warum sind dann diese anderen Gräber überhaupt alle offen?«
»Entweder hat er nicht sofort gefunden, wonach er gesucht hat, oder ...« Sie suchte nach einer befriedigenden Antwort.
Pierre schnippte mit dem Finger. »... oder er wollte seine Spuren verwischen! Niemand sollte herausfinden können, in welchem der Gräber er etwas gefunden hat!«
Sie betraten schließlich einen kleinen, dämmrigen Raum in dessen Wände einige Öffnungen geschlagen waren, durch die die Sommersonne hereinfallen konnte.
»Aber welches Geheimnis nun diese Blancheforts auch immer weitergegeben haben mögen ...«, gluckste Marie aufgeregt, »... ist es nicht wundersam, daß alle Fäden der Geschichte ausgerechnet in deinem Pfarrhaus zusammenlaufen. Ob es sich nun um diese Frage ... nach der Kreuzigung Jesu handelt, oder darum, ob die Templer einen Beweis dafür hatten ... daß Jesus überhaupt nicht Gottes Sohn war.« Sie war schon wieder Feuer und Flamme für ihren eigenen Vortrag. »Der Schlüssel für das ganze Rätsel muß irgendwo direkt vor unserer Nase liegen!«
»Hm? Wahrscheinlich hast du recht! Warum sonst hätten sich diese Würdenträger aus dem Vatikan in unser gottverlassenes Nest verirrt?« Er schwieg kurz. »Meinst du wirklich, daß sie den alten Saunière deswegen umgebracht haben ... nur weil er dieses Etwas nicht herausrücken wollte und sie damit möglicherweise erpreßt hat?«
Marie sah ihn an. »Wäre das so abwegig?«
»Nein!« Pierre blickte durch das Fensterloch hinaus. »Die da oben in ihren Plüschsesseln haben viel zu verlieren! Mehr als wir hier unten!«
Langsam stiegen sie die bröckeligen Stufen empor, die sich an rohen Fensteröffnungen vorbei, in engen Windungen in die Höhe schraubten. »Endstation!« schnaufte Pierre, als er um eine Ecke bog. »Hier ist eine dicke Tür.« Er drückte die schwere, eiserne Klinke hinunter. »Abgeschlossen! Mist! Also, geh’n wir wieder runter!« Er wollte sich gerade umdrehen, als er aus dem Augenwinkeldie Inschrift über der Tür bemerkte. In großen, deutlichen Lettern war dort eingemeißelt:
D UBIUM S APIENTIAE I NITIUM
»Sieh dir das an, Marie!«
Seine Aufforderung war völlig überflüssig, denn sie hatte sich schon längst neben ihn gedrängelt und fingerte an der mit eisernen Platten beschlagenen Tür herum. »Der Zweifel ist der Weisheit Anfang! Das stand doch auch auf diesem Lappen, den wir zusammen mit dem Schlüssel in dem Dämon gefunden haben!« Aufgeregt hüpfte sie von einem Fuß auf den anderen.
Pierre öffnete sein Hemd und holte einen Schlüssel hervor, der an einem ledernen Riemen, versteckt um seinen Hals hing.
»Meinst du den hier?«
»Du hast ihn sogar bei dir?«
»Seit diesem dubiosen Feuer im Dachstuhl der Villa, das so zufällig die ganzen Dokumente des Alten vernichtet hat, bin ich vorsichtig geworden.«
»Meinst du ... daß er paßt?« Sie deutete auf das rostige Ding an seinem Hals.
Er zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht ... aber er war immerhin in diesen Lappen eingewickelt, auf dem dieselben Worte standen.« Sein Herz begann zu pochen, und Marie fuhr sich aufgeregt durch ihre hochgesteckten Haare. Feine Schweißperlen standen ihr auf der Stirn.
»Na los! Probier ihn!« Ungeduldig zerrte sie an dem Lederband, noch bevor er es abnehmen konnte.
»Hier!« Er
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