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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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träumte, konnte sie erwachen. Sie brauchte sich nur in den Arm zu zwicken oder einen anderen autosuggestiven Trick anzuwenden, um die Augen zu öffnen und in der Foundation zu erwachen.
    Dann begriff sie: Und wenn sie sich noch so sehr zwickte, allein konnte sie aus diesem Traum nicht erwachen; sie brauchte Zach.
    Sie setzten den Weg in Richtung See fort, durch eine kristallene, gläserne Stadt, die in helles Licht getaucht war und still blieb, sah man von den gedämpften Stimmen der Legaten und dem Geräusch ihrer Schritte ab. Erasmus nahm die ganze Zeit Meldungen entgegen, erteilte Anweisungen und sah sich immer wieder um. Er hatte gehofft, Salomo sofort nach Erreichen von Prisma lokalisieren und überwältigen zu können, und die Enttäuschung zeigte sich immer deutlicher in seinem Gesicht.
    Florence erinnerte sich plötzlich an Worte, die Marta im Wahrheitszentrum am sie gerichtet hatte: Wir denken an Pläne innerhalb von Plänen … an Fallen innerhalb von Fallen.
    »Kann Salomo gewusst haben, dass wir kommen?« Sie flüsterte, aber die eigene Stimme erschien ihr laut in der gespenstischen Stille.
    »Unmöglichkeit!«, schnaubte Erasmus. »Er muss ahnungslos gewesen sein.«
    Benedict kehrte zu ihnen zurück. »Ich verstehe das nicht!«, stieß er atemlos hervor. »Wo sind all die Legaten, die der Seelenfänger entführt hat? Wo sind seine Konstrukteure und Weltenbauer?«
    Es piepte leise, und Erasmus hob eins seiner Messgeräte. »Aktivität«, sagte er. »In dem großen Gebäude am See. Dort!« Er streckte die Hand aus.
    Von einem Augenblick zum anderen wurde es dunkel.
    Das Visier schaltete sofort um und zeigte Florence eine Art Restlichtbild der Umgebung, bestimmt von Grüntönen und grauen Schemen. Sie versuchte noch, sich mithilfe dieses Bildes neu zu orientieren, als es ebenfalls verschwand und vor ihren Augen alles schwarz wurde. Eine Hand kam und klappte ihr Visier hoch, und daraufhin kehrte ein bisschen Licht zurück. Es stammte von einem Mond, der gerade über den Kraterrand stieg, und den Sternen am Himmel. Dieses schwache Licht fiel auf Gestalten, die sich plötzlich ganz deutlich zeigten – die Tarnanzüge funktionierten nicht mehr.
    »Ein Neutralisator«, brachte Benedict entgeistert hervor.
    »Man hat uns erwartet. Böse Überraschung!«, fügte Erasmus hinzu.
    Hinter ihnen krachte es am Hang des Kraters, und ein Licht flog durch die Nacht, wie der Funke eines fernen Feuers, vom Wind zur Stadt getragen. Er flog und fiel, neben ein Gebäude am Stadtrand, das mit einem in den Ohren schmerzenden Krachen zerbarst – es klang, als hätte die herabschmetternde Faust eines Riesen das Haus getroffen. Eine Stichflamme leckte gen Himmel. Wie Schrapnell dahinjagende Kristallsplitter schredderten zwei Protektor-Soldaten, die nicht rechtzeitig in Deckung gingen, und die gläsernen Fassaden weiterer Gebäude zerbarsten.
    Etwas fiel von Florence ab, eine Last, deren Gewicht sie erst in diesem Augenblick spürte, als die trügerische Ruhe tödlicher Gefahr wich. Plötzlich rückte alles an seinen Platz; Entschlossenheit ersetzte Verwirrung und Sorge.
    Sie ergriff Erasmus’ Hand und lief los, zog ihn einfach mit sich. Er war so überrascht, dass er sich nicht widersetzte.
    »Zacharias!«, stieß Florence hervor, während seltsame Gebilde am Himmel erschienen, monströse Schatten in der Nacht, halb Geschöpf und halb Maschine. Mit brummenden Motoren kamen sie heran und spuckten Feuer. »Bringen Sie mich zu ihm!«
    Sie waren gar nicht mehr weit vom See entfernt, als das jähe, flackernde Licht von Explosionen durch die Nacht gleißte. Florence brauchte Erasmus nicht mehr zu ziehen, er lief jetzt neben ihr, aber sie ließ seine Hand nicht los, und als er sich dem großen Gebäude am Ufer zuwenden wollte, drückten ihre Finger fest zu. Ein Instinkt sagte ihr, dass sich Zach nicht dort befand.
    »Zacharias!«, rief sie. »Wo ist er?«
    »Verdammt!«, knurrte Erasmus, und dann lief er schneller und zog Florence hinter sich her. Ein Flieger strich wie ein dunkler, stählerner Drache über sie hinweg, und das Brummen seiner Motoren schuf Vibrationen, die Glas und Kristall der nahen Gebäude erzittern ließen. Mehrere Funken lösten sich von der Seite des dunklen Ungetüms, fauchten dicht an ihnen vorbei, fielen zu Boden und setzten die Straße in Brand.
    Hitze wogte über Florence hinweg, und dann fand sie sich plötzlich in einem Hauseingang wieder, umgeben von bunten halbtransparenten Wänden.
    »Hier. Er muss hier

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