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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Prisma, dachte er und hörte das Splittern von Glas, als weitere Spiegel brachen. Ein gewöhnliches Prisma zerlegt das Licht, und dies hier zerlegt die Realität, beziehungsweise das, was wir hier als real wahrnehmen. Vielleicht kann uns dieses Prisma zeigen, wie die Welt oder die Welten wirklich beschaffen sind.
    Aber selbst das war nur Spekulation, Gedanken, die in ihm aufstiegen wie Luftblasen in einer trüben, öligen Flüssigkeit, ohne dass man erkennen konnte, woher sie stammten. Bits und Bytes, dachte er. Vielleicht bestimmen sie, was ich denke und fühle. Wie soll ich es erkennen können?
    Jähe Verzweiflung erfasste ihn, und er schwankte, so sehr, dass Florence ihn stützte.
    »Was ist mit dir, Zach?«
    »Was wird hier gespielt, Flo?«, ächzte Zacharias. Er hob die Hände und drückte sie sich an die Schläfen. »Was wird hier gespielt?«
    »Ich glaube nicht, dass es ein Spiel es, Zach. Und wenn du mich fragst: Du hättest einen anderen Zeitpunkt für deine Zweifel wählen sollen. Hier und jetzt gilt es zu handeln, bevor Salomo zurückkehrt.«
    »Vielleicht gehört es zum Plan«, stieß Zacharias hervor. Glassplitter knirschten unter ihren Schritten, als sie an den beiden Spiegeln mit den Wüstensonnen vorbeigingen. Florence zögerte kurz und schien mit dem Gedanken zu spielen, sie umzustoßen. Aber sie enthielten keine Gefangenen, und ohne ihr Licht wäre es im Saal noch dunkler gewesen. »Vielleicht sollen wir keine Zeit zum Nachdenken haben.«
    Nein, das war Unsinn, denn wenn die Bits und Bytes sein Denken bestimmten, so konnten sie ihm doch einfach andere, harmlose Gedanken geben. Andererseits, vielleicht sollte ihn dieser Gedanke in Sicherheit wiegen. Vielleicht gehörte ihm nicht ein einziger der Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen.
    Zacharias drückte die Hände so fest an die Schläfen, dass es schmerzte.
    »Vielleicht ist dies alles eine von Lily gesteuerte virtuelle Realität«, sagte er und versuchte ruhig zu sprechen. »Vielleicht befinden wir uns in einer von Maschinenintelligenzen geschaffenen Welt, in der irgendetwas schiefgegangen ist. Vielleicht ist der Seelenfänger ein … fehlerhafter Algorithmus. Vielleicht sind wir Fiktionen, von speziellen Programmen erzeugte und verarbeitete Datenpakete. Oder wir sind an ein Interface-System angeschlossen, ohne es zu wissen.«
    Diesen letzten Gedanken hielt er fest und drehte ihn, betrachtete ihn von allen Seiten. »Dies könnte ein Test sein. Weißt du etwas davon, Flo? Bist du vielleicht eingeweiht?« Er blieb stehen und packte sie an den Schultern. »Heraus damit, Flo! Ist dies ein Test? Und bist du beauftragt, meine Reaktionen zu beobachten? Bist du eingeweiht ?«
    »Du tust mir weh, Zach!«
    »Was? Ich … Entschuldige.« Zacharias ließ die Hände sinken. »Vielleicht werden wir beide getestet. Den Transferpunkt und Zuflucht zu finden … Es könnte Teil der Prüfung sein.«
    »Noch ein paar Worte in diese Richtung, und ich diagnostiziere einen klaren Fall von Paranoia.«
    Zacharias atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Einige Sekunden lang beobachtete er das Licht der beiden Wüstensonnen-Spiegel, wie es durch den Saal strich und Gestalten der Dunkelheit entriss, Männer und Frauen, die Spiegel zertrümmerten oder aus ihnen stolperten und fielen. Das Stimmengewirr nahm zu, als immer mehr Traveller und Legaten befreit wurden und sich ihrerseits daranmachten, andere zu befreien. Von Salomo, Kronenberg und den grauen Soldaten war weit und breit nichts zu sehen.
    »Lily hat zweimal in das Geschehen eingegriffen«, sagte Zacharias langsam und lauschte dabei dem Klang der eigenen Worte, horchte in ihnen nach Anzeichen von Wahnsinn. Verlor er den Verstand? Und wenn er den Verstand verlor, gehörte es zu dem Programm, das sie steuerte, sie durch eine fiktive Welt mit fiktiven Bewohnern lenkte? »Sogar dreimal, wenn man die Falle berücksichtigt, in die du geraten bist, die mit dem Buch. In allen drei Fällen behauptete sie, nicht alles zu wissen, entweder aufgrund externer Faktoren oder weil sie selbst wichtige Daten aus ihrem Speicher gelöscht hat, angeblich um sie vor fremdem Zugriff zu schützen. Aber konnte sie sie nicht verschlüsseln? Ich bin kein Computerexperte, aber selbst ich weiß, dass man mit einem symmetrischen Kryptosystem wie AES Daten gut sichern kann. Ein Schlüssel mit zweihundertsechsundfünfzig Bit Länge lässt sich nicht so leicht knacken.«
    »Wir reden hier nicht über PCs, Zach«, wandte Florence ein. »Es geht um

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