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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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für das Projekt Independence verwendet. In sechs Monaten«, betonte Thorpe, »werden wir unsere Unabhängigkeit erklären, während sich alle Sea Citys in internationalen Gewässern befinden.«
    Rasmussen sah ihn erstaunlich unbewegt an. »Darf ich ganz offen sein?«, fragte er nach einigen Sekunden.
    Thorpe lächelte. »Ich bitte darum.«
    »Ist das ein neuer Weg für Korporationen, den Ballast nationaler und internationaler Gesetze abzustreifen? Haben die Unabhängigen nicht schon genug Unfug angestellt?«
    »Ist Ihr Vertrauen in das Philanthropische Institut so gering, Jonas?«
    »Mein Vertrauen gilt jenen, die Vertrauen verdienen«, sagte Jonas Rasmussen. »Die meisten Korporationen, unter ihnen auch MS-Oracle, Samsung-Nippon und Google, um nur einige Mitglieder des Konsortiums zu nennen, das den Bau dieser Stadt finanziert hat …«
    »Und die auch Ihre Foundation finanzieren«, warf Thor pe ein. Er lächelte weiterhin; es konnte nie schaden zu lächeln.
    »Die meisten von ihnen sind unabhängig geworden, weil sie keine Steuern mehr zahlen und sich nicht an die strenger werdenden Gesetze halten wollten.«
    Thorpe nickte langsam. »Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Eigeninteressen haben dabei sicher eine Rolle gespielt, wie auch bei der bevorstehenden Unabhängigkeit der Sea Citys. Aber es geht um mehr, Jonas. Es geht um die Rettung der Zivilisation. Projekt Independence bedeutet, dass den besten Kräften dieser Welt Orte des Rückzugs und des Aufbaus zur Verfügung stehen werden, große schwimmende Städte, für die der steigende Meeresspiegel keine Rolle spielt. Wir werden Steueroasen, stabile Wirtschaft und stabile Politik bieten.«
    »Und Schutz vor den Flüchtlingsströmen«, sagte Ras mussen. »Das ist ein wichtiger Punkt, nicht wahr? In den Sea Citys ist die ökonomische Elite der Welt vor den zornigen breiten Massen sicher.«
    Thorpes Lächeln gefror ein wenig, als er Rasmussen musterte und sich fragte, ob er es mit einem Idealisten zu tun hatte. Bevor er hierhergekommen war, hatte er gründlich alle Akten studiert und bei Rasmussen keine Hinweise auf Verbindungen zu den Bewegungen der Neuen Ideale gefunden.
    »Stabilität, Jonas«, betonte Thorpe. »Der Mensch als Spezies wird die Großen Fluten, die Hitze im Innern der Kontinente, die Dürren und auch die neue Eiszeit, zu der es in Europa durch das Ausbleiben des Golfstroms kommen könnte, irgendwie überleben. Aber wenn die Zivilisation überleben soll, brauchen wir Stabilität, und unsere Sea Citys und die anderen maritimen Städte werden diese Stabilität garantieren. Wenn sich die gegenwärtigen Entwicklungen fortsetzen, werden wir zu einem Bollwerk gegen die Barbarei.«
    »Und welche Rolle spielt die Foundation dabei?«, fragte Rasmussen. »Plant das Philanthropische Institut, uns die Mittel zu kürzen, um das Geld zum Schutz der Zivilisation einzusetzen?«
    Thorpe hörte leise Ironie in diesen Worten, aber sie erzählten ihm auch noch etwas anderes: Rasmussen mochte sein Gespräch mit Vandenbrecht belauscht haben, doch er ahnte nichts. Er wusste nichts von den Zusammenhängen. Das macht es mir leichter, dachte Thorpe. »Die Foundation wird ihren Beitrag für die ökonomische Stabilität der Sea Citys leisten müssen. Wir haben bereits darüber gesprochen, Jonas. Ich sehe für die Foundation eine Zukunft, in der mehr Patienten behandelt werden, Personen, die für eine solche Behandlung viel Geld bezahlen können, wie Ihre bisherigen Prioritätspatienten. Gleichzeitig werden wir die Forschungen ausweiten und zum Beispiel nach weiteren Anwendungsgebieten für Tetranol suchen.«
    »Wollen Sie Tetranol zu einer neuen Droge machen und sie weltweit verkaufen?«
    Es wäre keine schlechte Idee gewesen, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht, dachte Thorpe, aber darauf hätte sich das Philanthropische Institut nicht eingelassen. Noch gab es gewisse Grenzen.
    »Tetranol hat ein großes Potenzial«, sagte Thorpe, um Rasmussen abzulenken. »Ich bin sicher, dass wir neue Einsatzgebiete für dieses außergewöhnliche … Medikament finden.«
    Von Rasmussen kam ein Geräusch, das fast nach einem Schnaufen klang. »Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wer der ›Gegner‹ ist.«
    Thorpe glaubte die gefährlichsten Klippen umschifft, ließ in seiner Wachsamkeit aber nicht nach. »Was ich Ihnen jetzt sagen werde, ist geheim, Jonas. Ich muss darauf bestehen, dass Sie mir versprechen, die folgenden Informationen streng vertraulich zu behandeln.« Er ließ

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