Seelenfeuer
atemberaubender Geschwindigkeit um die Pupille drehten und jeden hineinzogen, der ihr zu nahe kam. In solchen Momenten
kamen ihm die Augen der Hebamme geheimnisvoll und wissend vor. Aber bevor er sich vergewissern konnte, verschloss sich ihr Blick wieder und er meinte, sich getäuscht zu haben.
»Fang mich, wenn du kannst!«, rief sie übermütig und rannte vor ihm davon.
Matthias setzte ihr nach und packte sie am Arm. »Hab dich! Wenn du denkst, du kannst mir entkommen, liegst du falsch!« Niemals würde er sie entkommen lassen. Er wollte sein Leben mit ihr verbringen.
Gemeinsam rannten sie wieder zum Karren des Mohrenwirts und ließen sich dort erschöpft unter einer Weide nieder.
Matthias war glücklich. So war es immer, wenn er mit Luzia zusammen war. Leicht und selbstverständlich wie ein Herzschlag. Er drehte sich zu ihr herum. Der warme Feuerschein zauberte einen goldenen Schimmer auf ihre Haut, die vom vielen Tanzen glühte. Dankbar sog Matthias den warmen Duft nach Kräutern und Honig ein, der ihrer erhitzten Haut entströmte. Genauso roch Luzia. So hatte sie schon vom allerersten Tag an gerochen, an dem er sie gesehen hatte.
Ermutigt durch das Lächeln, das sie ihm schenkte, erhob er sich, klemmte die zerzausten Locken hinter die Ohren und trat von einem Bein auf das andere.
Sicher wäre jetzt der richtige Moment, Luzia zu fragen, ob sie seine Frau werden wollte. Er holte tief Luft, um die Worte zu sprechen, doch als Luzia ihn fragend ansah, verließ ihn der Mut wieder.
3
F ast zwei Monate später, am 6. des Erntemonats, brachte ein vorbeiziehender Handelsreisender einen Brief für
Luzia. Er kam von ihrem Onkel Basilius Gassner in Ravensburg.
Jakob und Elisabeth baten den grauhaarigen Mann und seine beiden Söhne ins Haus und boten den verschwitzten Männern einen Krug Dünnbier und Brot an.
»Wie lange seid Ihr denn schon unterwegs?«, fragte Jakob und setzte sich zu den Leuten an den Tisch.
»Erst seit zwei Tagen. Wir hatten in Altdorf zu tun und wollen nun weiter in das Land der Eidgenossen.«
Jakob nickte. »Ich dachte nur, wegen des Briefes. Hoffentlich enthält das Schreiben keine schlechten Nachrichten.«
Der ältere Mann hob bedauernd die Schultern und setzte den Becher ab, den er durstig geleert hatte. »Diese Hoffnung kann ich Euch leider nicht lassen, der Apothekarius, der mir den Brief gegeben hat, klang sehr besorgt. Ich musste ihm versichern, Seefelden in spätestens zwei Tagen zu erreichen. Der Inhalt des Schreibens scheint von großer Wichtigkeit zu sein.«
Elisabeth drehte das gesiegelte Schreiben nervös zwischen ihren Fingern hin und her. Sie hatte die große Schrift ihres Bruders Basilius gleich erkannt. Wenn er schrieb, dann musste es um etwas Wichtiges gehen.
»Wo ist Luzia denn?«, wollte Jakob wissen. Ungeduldig erhob er sich und ging zum schmalen Fenster, von dem aus er die Straße überblicken konnte. Auch ihm stand die Sorge ins Gesicht geschrieben.
»Bei den Metzgers«, antwortete Elisabeth und füllte den Bierkrug der Besucher ein weiteres Mal. »Die Sofia bekommt ihr Kind. Aber sie ist schon seit den frühen Morgenstunden fort. Allzu lange kann es nicht mehr dauern.« An den Reisenden gewandt, fuhr sie fort: »Hat Euch Basilius denn gar nichts gesagt?«, fragte sie.
Der Fremde schüttelte den Kopf. »Nein. Nur, dass es sehr dringend sei.«
»Ich weiß, dass dieses Pergament schlechte Nachrichten enthält! Ich kann es fühlen«, flüsterte Elisabeth mehr zu sich. Dabei flackerten ihre wachen, blauen Augen voller Angst. Es half auch nicht, dass Jakob ihre Hand nahm.
Der grauhaarige Handelsreisende erhob sich. »Ich glaube, wir sollten langsam gehen«, sagte er und räusperte sich in Richtung seiner Söhne. Die warfen sich Blicke zu, stopften sich eilig die letzten Bissen in den Mund und standen ebenfalls auf. Sie fühlten sich in dem kleinen Haus, welches ihnen vorher so gemütlich erschienen war, nicht mehr recht wohl. Da schien sich etwas zusammenzubrauen und sie wollten auf keinen Fall dabei sein, wenn dieser unheimliche Brief geöffnet wurde. »Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft. Gott sei mit Euch.« Damit waren sie schon aus der Tür.
Als Luzia wenig später von Sofia kam, währte die Freude über die gesunde Tochter der Metzgers nicht lange. Auch sie ahnte gleich, dass der Brief nichts Gutes enthielt. Mit zitternden Fingern brach sie das kleine, rote Siegel der Gassners. Hastig überflog sie die Zeilen.
Liebste Luzia, liebe Elisabeth, werter
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