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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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staubig und matt waren. Seine schwarze Hose und das weiße Hemd, dessen Ärmel er bis weit über die Ellenbogen zurückgerollt hatte, zeigten überall große Blutflecke. Wams und Talar hingen bereits in der Ecke, ihrer hatte sich der Arzt gleich zu Beginn entledigt. Selbst sein dunkelblondes Haar zeigte einige dunkelrote bis rostbraune Strähnen.
    »Reicht mir die Scharpie«, wies er Bruder Edmund an. Der junge Antoniterbruder zählte gerade achtzehn Sommer. Sein Haar trug er kurz, aber ohne Tonsur. Auch Edmunds graue Kutte zeigte viele blutige Stellen. Obwohl er der jüngste unter den Laienbrüdern war, schätzte der Medicus seine Fähigkeiten sehr. Johannes nahm ihm das Verbandmaterial ab und legte es auf die Wunde des Verletzten. »Ihr könnt ihn wegtragen«, wies er zwei Männer an, die nahe der Tür warteten, »und richtet Bruder Walko aus, er soll das Leinen mit Wein tränken, ehe er es um die Brust des Verletzten legt.«
    Die Helfer aus der Stadt nickten und trugen den schlafenden Mann an Beinen und Armen davon.
    »Der Nächste. Wir bringen den Nächsten!«, riefen zwei ältere Ravensburger.
    Johannes stand mit dem Rücken gegen die blutbefleckte Wand gelehnt und schöpfte Atem. Selbst wenn sie alle ohne Pause weiterarbeiteten, würde es ihnen nicht gelingen, bis zum Abend alle Leiden zu lindern. Seine besondere Sorge
galt den beiden Frauen. Sie gehörten den Trosshuren an und hatten durch die brutale Vergewaltigung der Wegelagerer schwerste Verletzungen erlitten.
    »Wir brauchen die Hilfe einer erfahrenen Hebamme, sonst werden die Frauen sterben«, murmelte er mehr zu sich selbst als zu Bruder Edmund, bevor er sich dem nächsten Patienten zuwandte. »Jungfer Gassner kennt sich mit Verletzungen dieser Art aus. Zudem kann sie ihre Heilkräuter und Tinkturen mitbringen.«
    Der Klosterbruder nickte zustimmend.
    »Soll ich der Hebamme ein paar Zeilen schreiben?«, schlug er hilfsbereit vor.
    »Das ist nett von Euch, aber das möchte ich lieber selbst tun«, erwiderte von der Wehr und beugte sich über den nächsten jungen Mann, der bereits halb nackt vor ihnen auf der Liege lag. »Was erkennt Ihr, Bruder Edmund?«
    »Sein Arm steht in einem sehr ungewöhnlichen Winkel zum Körper. Darüber hinaus leidet der Patient wohl unter starken Schmerzen«, zählte der junge Mönch auf. Dabei klang seine Stimme weich und voller Mitgefühl.
    »Ganz recht. Hier haben wir eine Luxation des Schultergelenks. Eine Verrenkung«, fügte er hinzu, als er den fragenden Blick sah. »Die Schulterpfanne ist gegenüber dem Gelenkkopf sehr klein, weshalb es bei Kämpfen relativ häufig zu dieser äußerst schmerzhaften Verletzung kommt.« Eigentlich fehlte ihm die Zeit für eine Lehrstunde, doch Bruder Edmunds Fragen nahmen kein Ende und sein Interesse war groß und ernsthaft, sodass der Medicus dazu übergegangen war, jedem Leiden ein paar Worte anzumerken. Mit einer entschlossenen Bewegung zog er den Arm in einem genau berechneten
Winkel aus dem Gelenk und renkte ihn so wieder ein. Der Patient schrie vor Schmerz auf, dann entspannte er sich.
    »Langsam, Bruder Walko!«, mahnte er den anderen jungen Mönch, der vor einer zweiten Krankenliege stand und das Messer für eine Beinamputation ansetzen wollte. Angesichts der Dringlichkeit waren sie übereingekommen, dass Bruder Walko und Bruder Anselm einfachere Amputationen vornehmen durften, bei denen das Glied nicht völlig zerfetzt war. Die beiden Mönche hatten schon mehrfach zugesehen und gingen dem Medicus auch zur Hand, wenn er mehrmals in der Woche ein vom Antoniusfeuer befallenes Glied entfernte.
    »Ihr müsst darauf achten, die Haut für den Beinstumpf großzügig zu bemessen. Tut Ihr das nicht, heilt die Wunde schlecht und der Patient wird immer unter Schmerzen leiden«, sagte von der Wehr zu Bruder Walko.
    Der hagere Laienbruder des Antoniterordens nickte und hob das Messer wieder an, konnte sich aber nicht entschließen, es anzusetzen.
    »Sollen wir die Operation noch ein letztes Mal gemeinsam durchführen?«, fragte Johannes, der die Unsicherheit des Mönchs deutlich spürte.
    Bruder Walko nickte dankbar und legte das Messer mit einem tiefen Seufzen zurück auf den kleinen Holztisch.
    Während er von der Wehr heute schon bei der dritten Beinamputation assistierte, wiederholte er in Gedanken nochmals jeden einzelnen Schritt. Die nächste Amputation würde er in jedem Fall selbst vornehmen müssen, und bei diesem Gedanken wurde ihm bereits jetzt übel. Er sah sich lieber in der

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