Seelenfeuer
Krankenpflege als im Entfernen zerhauener Glieder. Aber auch er genoss wie Bruder Edmund die Zusammenarbeit mit
dem jungen Arzt. Walko schätzte den Medicus sehr und wurde nicht müde, ihm über die Schulter zu sehen. Jetzt kam allerdings der Augenblick, bei dem er lieber selbst auf der Liege gelegen hätte. Der Arzt begann, mit einer Knochensäge den massigen Oberschenkelknochen zu durchtrennen. Allein das schreckliche Geräusch erzeugte bei ihm eine Gänsehaut. Er wollte sich lieber die vorangegangenen Handgriffe einprägen, als sich auf das scharfe Reißen des Sägeblatts zu konzentrieren. In Gedanken wiederholte der junge Mönch: Wenn der Patient entweder ausreichend Branntwein getrunken oder die grüne Mandragoramischung zu sich genommen hatte, konnte man beginnen. Nach dem Anlegen einer Aderpresse mittels eines breiten Lederriemens vergewisserte sich der Doktor abermals, dass der Patient auch wirklich schlief. Zuerst durchtrennte er dann eine Handbreit unter der Amputationsstelle die Haut und das darunterliegende Gewebe der roten Muskeln. Nun folgte eben dieser Handgriff, den Walko am meisten fürchtete …
»Rasch, die Scharpie, sonst verblutet unser junger Freund. Und das wollen wir doch beide nicht!«
Schnell drückte Bruder Walko einen großen Bausch des gezupften Leinengewebes auf den blutenden Stumpf und schluckte.
»Und nun kommt das Wichtigste! Haltet die ausreichend groß bemessenen Hautstücke zusammen und fixiert sie mit einigen Klammern«, erklärte der Medicus und zog die dicke Haut zusammen. »Inzwischen fädelt Ihr bitte den Katzendarm in die Nadel und beginnt die Wundränder Schicht für Schicht von innen heraus zu verschließen. Mit dem Rest kennt Ihr Euch besser aus, als ich es je tun werde«, sagte er, nickte dem
jungen Mönch aufmunternd zu und eilte zu einem Eimer mit frischem Wasser.
Während des Studiums hatten die arabischen Ärzte darauf geachtet, dass sich die Studenten ihre Hände wuschen. So hielt er es auch hier und ermahnte seine Helfer, es ebenso zu machen.
Ohne sich eine Pause zu gönnen, hetzte er zu seinem nächsten Patienten. Ein älterer Mann lag auf dem Strohsack zu seinen Füßen und wand sich unter großen Schmerzen.
»Seid Ihr der Medicus?«, krächzte der Mann mit dem groben Gesicht.
Von der Wehr nickte und kniete zu seiner Rechten.
»Bitte helft mir«, flehte der grauhaarige Söldner mit belegter Stimme.
Der Medicus nickte und platzierte seine Hand oberhalb der klaffenden Wunde im Bereich des Schlüsselbeins.
»Ein Pfeil hat mich erwischt. Der Dreckskerl von einem Banditen hat mich geradewegs durchlöchert«, schimpfte der Verletzte mit zusammengebissenen Zähnen.
»Dann hat das Geschoss Euren Körper wieder verlassen?«, fragte der Medicus erstaunt. In der Regel blieben Pfeile im Gewebe stecken. Oft wurde der herausragende Teil später durch die Hand eines Kollegen abgebrochen, was zu schwersten inneren Blutungen führte.
»So wahr ich hier liege, Doktor! Das vermaledeite Ding hat mich nicht aufgespießt, wie es bei Karl dem Stotterer der Fall ist«, erwiderte der Söldner schwach und deutete auf den Kameraden neben sich. Der Medicus nickte und zog vorsichtig die Wundränder der Verletzung auseinander, um sich die tiefe Wunde genauer anzusehen. Das war nicht so einfach,
denn dickes Blut quoll aus der Wunde, und der Mann stöhnte laut auf.
»Helft mir, den tapferen Kerl hier auf den Tisch im großen Saal zu bringen«, sagte der Medicus zu einem vorbeieilenden Mann, den er nicht kannte.
Johannes strich sich mit beiden Händen die losen Strähnen seines Haars zurück und seufzte: »Bruder Anselm, seid so gut und bringt mir eine weitere Lichtquelle! Bei diesem Licht kann ich beim besten Willen nichts erkennen.«
Bruder Anselm, der dritte der Mönche, die ihm zur Hand gingen, war ein älterer, kleiner Mann mit grauer Tonsur und und geröteten Wangen. Eilfertig rannte er los und brachte eine flackernde Öllampe mit.
»Ich danke Euch, und wenn Ihr schon hier seid, könnt Ihr mir auch gleich berichten, wie es um den jungen Reitknecht bestellt ist, dem wir gleich zu Anfang den Arm nehmen mussten.«
Bruder Anselm senkte den Kopf und antworte schleppend, als würde er es selbst nicht glauben: »Er ist schon vor einer Stunde verstorben. Ich konnte nichts mehr für ihn tun.«
Der Medicus nickte. »Und wie geht es dem Älteren der beiden Spießknechte, dem mit der tiefen Kopfverletzung?« Eigentlich kannte er die Antwort bereits.
Bruder Anselm trat von einem Bein
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