Seelenfeuer
blütenweißes Hemd, dazu ein burgunderrotes Wams aus Samt. Vom Reiten hatten sich einzelne
Strähnen seines Haares aus dem dunklen Lederband gelöst, was ihn ein wenig verwegen wirken ließ.
Sie musste sich zusammenreißen, um nicht dem übermächtigen Wunsch nachzugeben, sich in den warmen Schutz seiner Arme fallen und sich von ihm davontragen zu lassen. Endlich trafen sich ihre Blicke. Luzias endlos blaue Seen und seine wissenden, grauen Augen. Nur noch wenige Schritte trennten sie voneinander und Luzia wusste, er fühlte ihren Schmerz bereits aus der Ferne. Er würde sie auffangen und sie nach Hause bringen, und dann würde sie endlich weinen können.
Mit einem langen Schritt war er bei ihr, und sie fiel ihm in die Arme und begann zu schluchzen:
»Ich bin so froh, dass du zurück bist! Es ist schrecklich, wie sie mich anstarren, wie sie sich die Mäuler über mich zerreißen, wie sie …«, rief sie und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie spürte die schützende Wärme seiner Arme um sich, die sich weich und gleichzeitig fest um sie schmiegten. Selbst ohne Worte fühlte sie sich verstanden und heil. Während sie ihre Augen schloss, fühlte sie sich geborgen. Der sommerliche Duft seiner herben Seife streichelte ihre Nase.
Sie hob den Kopf und sah in sein männliches Gesicht. Über seinem zärtlichen Blick lag ein dunkler Schatten, und seinen weichen Mund umgab eine nachdenkliche Linie, die sich immer bildete, wenn er lange gegrübelt hatte. Luzia hätte ewig in seinen Armen liegen und ihn anschauen mögen, doch während das scharfe Gefühl der Angst und des Zorns zurückkehrte, spürte sie, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Während sie sich aus seiner Umarmung löste und ihn ansah, verstärkte sich das Prickeln in ihren Wangen noch.
»Bitte verzeiht! In der Aufregung habe ich mich völlig vergessen«, begann sie stockend und senkte verlegen die Augen.
Ein warmes Lächeln teilte seine Lippen, während er kopfschüttelnd nach ihren Händen suchte.
»Bitte seht mich an«, bat er, und seine Stimme klang wie schwerer Wein.
Luzia hob den Kopf und begegnete seinem liebevollen Blick.
»Ich liebe Euch bereits seit dem Tag unserer ersten Begegnung.«
»Aber …«
»Schsch«, flüsterte er zärtlich und berührte sanft ihre Lippen. »Bitte hört mich an. Seit ich Euch das erste Mal gesehen habe, denke ich immerzu an Euch. An Euer überaus großes Herz, Euren Verstand, Euren Mut. Ich liebe Euer besonderes Haar, aber das wisst Ihr ja bereits.«
Die Wahrheit in seiner Stimme überwältigte sie, und Luzia spürte ein erneutes Kribbeln in ihren Wangen. Sachte berührte von der Wehr die verräterische Stelle, die unter seiner kühlen Hand zu pochen begann.
»Und das liebe ich ganz besonders«, flüsterte er und zog sie in seine Arme.
Sie nickte und sah ihn lange an. Erst als sie seine Lippen sanft auf ihren spürte, wusste sie, dass sie nicht träumte.
Der Sturm, der ihr Herz eroberte, glich einem alles verzehrenden Flächenbrand. Der Kuss fühlte sich so richtig an, als hätte Gott sie nur erschaffen, um sie einander in die Arme zu führen. Luzia vergaß die Welt um sich herum und überließ sich ganz dem berauschenden Gefühl seiner Lippen.
Zärtlich sah er sie an. »Ihr seid die Sonne meiner Seele und das Licht meines Herzens und ich warte schon so lange auf
Euch, dass es nun wahrlich an der Zeit ist, das wir alles Steife hinter uns lassen«, sagte er und verneigte sich in einem formvollendeten Diener. »Ich bin Johannes, und du bist Luzia. Luzia, mein Augenstern«, fügte er noch hinzu und berührte leicht ihre Wange.
Luzia spürte, wie die Hitze ihr Gesicht eroberte. Sie wusste, ihre Stimme würde zittern, deshalb beließ sie es bei einem zustimmenden Lächeln.
Erst als Basilius unter der Tür erschien und leicht gegen den Türrahmen klopfte, lösten sie ihre Blicke voneinander.
Der alte Mann räusperte sich:
»Wie ich sehe, bist du vom Markt zurück.«
Luzia nickte und biss sich auf die Unterlippe.
»Das ist schön, dann darf ich euch nun in die Wohnstube bitten. Wir haben uns eine Menge zu erzählen«, sagte ihr Onkel, und es war nicht eindeutig, ob in seiner Stimme Tadel oder stillvergnügte Freude lag.
Einige Tage später erschien ein berittener Bote in der Marktstraße. Er überbrachte Luzia und Basilius eine mündliche Einladung. Dazu verbeugte sich der in einen abgetragenen Umhang gehüllte Mann und räusperte sich:
»Der Huf- und Nagelschmied Matthias Weisner aus Seefelden am
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