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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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traf ihre Schulter. Sie machte keinen Versuch, sich zu schützen.
    Immer mehr Steine flogen. Viele verfehlten ihr Ziel, aber viele trafen auch. Selene hatte den Eindruck, der helle Frühlingstag hätte sich plötzlich verfinstert. Sie sah, wie eine gebrechlich wirkende alte Frau am vorderen Rand der Menge den Arm hob und einen Stein warf, der mitten im Gesicht des Mädchens landete. Das Gesicht der Alten war zu einer Grimasse verzerrt, die Schmerz oder Freude ausdrücken konnte.
    Der Hagel von Steinen wurde dichter. Das Mädchen fiel auf die Knie. Ihre Stirn war blutig.
    »Hure!« brüllte die Menge. »Verräterin!«
    Da stürmten aus einer Seitenstraße mit fliegenden roten Umhängen und blitzenden Schwertern zwei römische Soldaten auf den Platz. Sich mit ihren Schilden schützend, rannten sie mitten in den Steinhagel und versuchten mit lauten Rufen, der Menge Einhalt zu gebieten. Doch ihr Auftauchen schien das Volk nur um so rasender zu machen. Es wogte vorwärts, als wollte es die Soldaten verschlingen, wich zurück, als die Schwerter drohend gezückt wurden.
    In wahnsinniger Angst sah sich Selene nach Rani und Ulrika um. Sie spürte das Gift des Hasses um sich herum wie etwa Greifbares.
    Einer der Soldaten wich zurück und beschützte das Mädchen mit seinem Körper.
    Doch plötzlich schwärmten Soldaten von allen Seiten heran; rote Umhänge flatterten, Schilde und Schwerter funkelten in der Sonne. Die Menge geriet in Panik und wandte sich schreiend zur Flucht. Selene wurde an eine Mauer gedrückt und stand unfähig sich zu bewegen, während Männer und Frauen wie ein Herde wildgewordener Tiere an ihr vorüberhetzten. Innerhalb von Minuten war der Platz wie leergefegt, und eine geisterhafte Stille senkte sich herab.
    »Ulrika!« rief Selene fast schluchzend, als sie Rani und das Kind aus einer Tornische treten sah.
    »Mama!« Mit fliegenden Haaren rannte das kleine Mädchen über den Platz und warf sich Selene in die Arme. Rani folgte langsamer. Sie hinkte.
    »Alles in Ordnung?« fragte Selene Ulrika.
    »O ja, Mama.« Ulrikas Wangen glühten, die hellblauen Augen blitzten vor Erregung. Selene atmete erleichtert auf; das Kind hatte nicht viel gesehen, hatte nichts verstanden.
    Als Selene nach Rani Ausschau hielt, sah sie, daß die Freundin über den Platz zu dem wild schluchzenden Mädchen gegangen war, dem man eben die Fesseln durchschnitt. Sobald sie die Hände frei hatte, warf sie sich über einen Soldaten, der bewußtlos auf dem Pflaster lag. Es war der Soldat, der sie mit seinem Körper vor den Steinen geschützt hatte. Er hatte seinen Helm verloren; in seinem Kopf klaffte eine tiefe Wunde.
    »Ist ja gut«, sagte einer der später gekommenen Soldaten, ein grauhaariger Veteran, und versuchte, das Mädchen von seinem Kameraden wegzuziehen.
    »Er ist tot!« schluchzte sie. »Cornelius ist tot.«
    Rani kniete neben ihr nieder und untersuchte den Bewußtlosen. »Nein«, sagte sie in ihrem gebrochenen Aramäisch,»er ist nicht tot. Aber er muß sofort versorgt werden.«
    »Das erledigen wir schon«, sagte der Veteran freundlich und winkte zwei jungen Soldaten, den Kameraden fortzutragen.
    »Wir können helfen«, erbot sich Selene, die neben dem weinenden Mädchen niedergekniet war und versuchte, sie zu beruhigen.
    »Nein, nein, ist schon gut. Ist nicht nötig. Wir kümmern uns schon um Cornelius. Also, kommt ihr beiden.«
    Als das schluchzende Mädchen den Soldaten folgen wollte, nahmen-Selene und Rani sie in ihre Mitte und führten sie zu einem kleinen Brunnen. Dort wuschen sie ihre Wunden aus und legten Salbe auf. Als das Mädchen endlich zu weinen aufhörte, erfuhren sie, daß sie Elisabeth hieß und Cornelius, der verwundete Soldat, der Mann war, den sie liebte.
    »Aber sie haben es erfahren«, sagte sie und fing wieder zu weinen an. »Sie hatten kein Recht, mich zu verurteilen. Es steht
nicht
im Gesetz geschrieben. Aber sie hassen die Römer, und darum betrachten sie mich als Verräterin.«
    Sie begleiteten sie nach Hause. Sie wohnte nicht weit von dem Platz, und als sie das Häuschen erreicht hatten, bat Elisabeth sie hinein. »Ihr wart freundlich zu mir. Und ihr habt versucht, Cornelius zu helfen.«
    Doch Selene, die sah, daß die Sonne schon tief stand, erwiderte: »Wir danken dir, aber wir müssen noch eine Unterkunft für die Nacht finden. Wir sind erst vor kurzem in Jerusalem angekommen.«
    »Oh, aber jetzt werdet ihr niemals eine Unterkunft finden«, rief Elisabeth. »Zur Zeit des Pessach-Festes gibt

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