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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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war nach alter römischer Tradition Brot verbrannt worden, um der muffigen Luft einen angenehmeren Geruch zu geben. Aber jetzt war endlich der Frühling da; die Insel grünte und blühte; vom Fluß wehten reinigende Lüfte durch die Krankenasyle.
    Selene legte beide Hände auf ihren Leib und lächelte. Sie war glücklich, nach so langer Wartezeit doch noch schwanger geworden zu sein.
    Nach den Ereignissen beim Flußfest vor fünfeinhalb Jahren war Selene wie selbstverständlich in die vornehmsten Kreise Roms aufgenommen worden. Die Leiden des römischen Adels unterschieden sich, wie sie schnell feststellte, in nichts von denen der Reichen anderer Städte und Länder – bis auf eine rätselhafte Ausnahme: Viele Paare waren mit Kinderlosigkeit geschlagen.
    Anfangs hatte Selene angenommen, diese Leute wären auf eigenen Wunsch kinderlos; aber es hatte nicht lange gedauert, da waren die ersten Frauen zu ihr gekommen, um sich Rat und Hilfe zu holen.
    Selene hatte Andreas nach möglichen Gründen für die Unfruchtbarkeit dieser Frauen gefragt, doch er hatte keine Erklärung dafür gehabt. Auffallend war, daß das Problem in den unteren Schichten nicht zu existieren schien. Die einfachen Leute hatten weiterhin große Familien und setzten ihre unerwünschten Kinder auf der Tempeltreppe aus.
    Das, was Selene zunächst einfach als interessantes Phänomen sah, wurde bald zu ihrem persönlichen Problem. Nach ihrer Eheschließung im Oktober nach dem Flußfest hatten sich Selene und Andreas dringend ein Kind gewünscht, doch fünf Jahre lang war ihr Wunsch unerfüllt geblieben. Selene begann zu fürchten, die unbekannte empfängnisverhindernde Krankheit, an der die wohlhabenden Frauen Roms litten, hätte sich auch ihrer bemächtigt; denn dafür, daß sie nicht von Natur aus unfruchtbar war, hatte sie ja den Beweis – Ulrika.
    Doch im Januar endlich hatte Selene zu ihrer großen Erleichterung gemerkt, daß sie schwanger war.
    Sie sah in diesem Kind vor allem ein Geschenk an Andreas. Sie wußte, wie sehnlich er sich ein eigenes Kind wünschte. Er hatte es niemals ausgesprochen, doch die Sehnsucht war immer spürbar gewesen. Er war vierundfünfzig Jahre alt und wünschte sich von ganzem Herzen einen leiblichen Erben, an den er das, was er geschaffen hatte, weitergeben konnte: die Villa auf dem Hügel, das Vermögen, das er und Selene angesammelt hatten, sein Wissen, das er in der umfassenden Encyclopädie über die Medizin, die sich ihrer Vollendung näherte, niedergelegt hatte.
    Und mit der Geburt dieses Kindes, dachte Selene, den Blick auf den Rohbau des Domus gerichtet, der die Hausdächer überragte, werden wir endlich eine richtige Familie sein.
    Was ihre andere Familie betraf, die, welche im kaiserlichen Palast lebte, so hatte Selene wenig für sie übrig. Die Mutter und den Bruder, die man ihr vor langer Zeit entrissen hatte, hielt sie für tot.
    Selene versuchte, auf der Sonnenuhr im Garten die Zeit abzulesen. Sie mußte sich auf den Weg zu Paulina machen; die Gäste würden bald eintreffen. Aber sie konnte sich vom Anblick des Domus Julia, das sich leuchtend weiß vom blauen Aprilhimmel abhob, nicht losreißen.
    Das Domus wurde einzig nach Selenes Anweisungen und Vorstellungen erbaut; Krankenhaus und Lehrstätte zugleich sollte es werden, alle Vorzüge des persischen
chikisaka
, des römischen
valetudinariums
, der essenischen
infirmaria
, der großartigen Schule für Medizin in Alexandria in sich vereinen. Es würde nach Krankheitsart getrennte Pflegestationen haben, Tempelräume, die den verschiedenen Göttern geweiht waren, einen Operationsraum mit einer großen Kuppel, durch die von allen Seiten Licht einfallen konnte. Andreas hatte Unterrichtsräume entworfen, eine kleine Anatomie und die Wohnräume für seine Schüler. Jetzt wurden die Rohre gelegt, durch die das Domus mit frischem Wasser versorgt und durch die Exkremente und Abfälle fortgespült werden sollten. Das Domus wurde nicht nur nach praktischen Erwägungen gestaltet; auch die Schönheit, nach Selenes Überzeugung Wohltat für jeden Kranken, sollte nicht zu kurz kommen. Wenn das Domus erst fertiggestellt war, würde die gewaltige weiße Kuppel weithin zu sehen sein, ein Wahrzeichen der Heilkunst und der Hilfsbereitschaft. Das Domus Julia würde einzigartig sein auf der ganzen Welt und, davon war Selene felsenfest überzeugt, ewig stehen.
    Nun endlich konnte sie die innige Verbindung sehen, die zwischen ihrer Herkunft und ihrer Berufung als Heilerin

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