Seelengesaenge
berichten.
Als er endete, erhob sich der König schweigend und legte ein paar neue Scheite in das Feuer. Die Flammen tauchten sein Gesicht in zuckendes gelbes Licht. Mit zweiundsiebzig Jahren hatte er eine Würde erlangt, die weit über das hinausging, was er seinen Genen an übernatürlicher Contenance verdankte; die Erfahrung hatte seine Persönlichkeit sichtbar erhabener werden lassen. Der König war zu dem geworden, was Könige sein sollten – jemand, dem man vertrauen konnte. Was den besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht noch beunruhigender machte, als es bei einem gewöhnlichen Politiker der Fall gewesen wäre.
»Und?« fragte Alastair den Duke, ohne den Blick vom Feuer abzuwenden.
»Es scheint ganz objektiv ein Dilemma zu sein, Sir. Mister Hiltchs Vorschlag ist sicherlich vertretbar … Die Berichte, die wir erhalten haben, zeigen, daß die Edeniten sich mehr als gut gegen die Besessenen halten; nur eine Handvoll Habitate wurde penetriert, und ich denke, sämtliche Eindringlinge wurden eingefangen. Der Einsatz von BiTek-Konstrukten als Stoßtruppen würde unsere eigenen Verluste auf ein Minimum beschränken, falls wir eine Armee entsenden, um Mortonridge zu befreien. Rein politisch betrachtet hat Prinzessin Kirsten ganz recht: eine derartige Vorgehensweise würde die Abkehr von einer Außenpolitik bedeuten, die seit mehr als vierhundert Jahren von Bestand ist und von Richard Saldana persönlich begründet wurde.«
»Aus gutem Grund, damals jedenfalls«, sagte der König nachdenklich. »Diese verdammten Atheisten mit ihrem Helium-III-Monopol haben viel zuviel Macht über uns Adamisten. Richard wußte, daß der einzige Weg zu wahrer Unabhängigkeit darin bestand, sich von der hilfreichen Hand der Edeniten zu befreien. Es mag zwar ruinös gewesen sein, unsere eigenen Wolkenschaufeln zu bauen, doch bei Gott, was haben wir durch unsere Freiheit erreicht! Und jetzt kommt Mister Hiltch daher und bittet darum, daß ich mich in die Abhängigkeit von den gleichen Edeniten begebe.«
»Ich schlage eine Allianz vor, Euer Majestät«, erwiderte Ralph. »Nichts mehr. Eine militärische Allianz zum gegenseitigen Nutzen in Kriegszeiten. Und die Edeniten werden genauso von der Befreiung Mortonridges profitieren wie wir.«
»Tatsächlich?« fragte der König skeptisch.
»Ja, Euer Majestät. Irgendwer muß es tun. Wir müssen uns selbst – und was das betrifft, jeder anderen Welt innerhalb der Konföderation – beweisen, daß die Besessenen in das Jenseits zurückgetrieben werden können. Ich schätze, ein solcher Krieg kann durchaus Jahrzehnte dauern, und wer wird ihn beginnen, wenn niemand weiß, ob ein Sieg überhaupt möglich ist? Was auch immer dabei herauskommen mag, wir müssen es versuchen.«
»Es muß eine andere Lösung geben«, sagte der König fast unhörbar leise. »Irgend etwas Einfacheres, Endgültigeres, um sich dieser Gefahr zu entledigen. Unsere Militärwissenschaftler arbeiten selbstverständlich bereits daran. Wir können nur beten, daß sie Fortschritte machen, obwohl die Lösung bisher in deprimierender Ferne zu liegen scheint.« Er seufzte laut. »Andererseits darf man nicht nach Wünschen handeln, jedenfalls nicht, wenn man in meiner Position steht. Ich muß mich nach Fakten richten. Und Fakt ist, daß zwei Millionen meiner Untertanen besessen sind. Untertanen, die zu verteidigen und zu schützen ich vor Gott geschworen habe. Also muß ich etwas unternehmen, und Sie, Mister Hiltch, haben den bisher einzigen vernünftigen Vorschlag unterbreitet. Selbst wenn er sich nur auf die physischen Dinge beschränkt.«
»Euer Majestät?«
»Das soll keine Kritik sein, Mister Hiltch. Aber ich muß auch das berücksichtigen, was diese Annette Eklund zu Ihnen gesagt hat. Selbst wenn wir gewinnen und die Besessenen aus allen lebenden Körpern vertreiben, enden wir eines Tages genau wie sie. Haben Sie vielleicht eine Idee, wie wir dieses kleine Rätsel lösen könnten?«
»Nein, Euer Majestät.«
»Nein. Natürlich nicht. Verzeihen Sie, ich bin schrecklich unfair. Aber keine Angst, Sie stehen nicht alleine da, ganz ohne Zweifel. Im Augenblick können wir diese Sorge dem Bischof aufbürden, aber irgendwann werden wir uns damit befassen müssen. Und zwar gründlich. Die Aussicht, eine Ewigkeit im Fegefeuer verbringen zu müssen, ist nämlich nicht gerade aufmunternd. Und doch sieht es gegenwärtig danach aus, als drohe uns allen genau dieses Schicksal.« Der König lächelte schwach und blickte durch das
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