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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Leben aufgezwungen. Du wünschst dir doch nicht einmal wirklich, dass sie stirbt. Das ist nurdeine Art, deine Wut auszudrücken. Deshalb brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben. Himmel, du kümmerst dich Tag für Tag um sie! Ist das etwa nichts?«

23
    Jules fühlte sich erschöpft und leer, gleichzeitig empfand sie eine angenehme Leichtigkeit, als hätten die letzten Minuten eine unglaubliche Last von ihren Schultern genommen, die sie während der letzten Monate und Jahre immer mehr zu erdrücken drohte. Beim Abendessen hatte sie sich noch geweigert, viel mehr über ihr Leben und ihre Gefühle preiszugeben, als Kyriel ohnehin schon wusste. Es war ihr unangenehm gewesen, ihre geheimsten Gedanken – Gedanken, für die sie sich zutiefst schämte – mit jemandem zu teilen. Sie hasste sich selbst schon viel zu sehr dafür, und das Letzte, was sie brauchte, war ein Außenstehender, der sie deshalb verurteilte. Sie wusste immer noch nicht, warum sie überhaupt davon angefangen hatte. Vielleicht lag es am Schutz der Dunkelheit, dass sie sich sicher genug gefühlt hatte, ihre Gefühle herauszulassen. Vielleicht hatte es auch damit zu tun, wie freimütig Kyriel kurz zuvor über sein Leben und seine Vergangenheit als Gefallener gesprochen hatte.
    In vielerlei Hinsicht hatte sie noch immer keine genaue Vorstellung davon, wer er wirklich war – er schien es im Augenblick selbst nicht zu wissen. Bei ihrer ersten Begegnung war er ruppig und ausgesprochen direkt gewesen, sein ganzes Verhalten darauf ausgelegt, seinen Auftrag zu erfüllen und sie so schnell wie möglich loszuwerden. Mittlerweile jedoch hatte sich etwas verändert. Er war noch immerdirekt, doch er war auch freundlicher und auf eigenartige Weise fürsorglicher geworden. Es schien ihm nicht leichtzufallen, und mehr als einmal hatte er gewirkt, als wäre er von seinem eigenen Verhalten überrascht. Das waren die Momente, in denen sie das Gefühl hatte, den echten Kyriel vor sich zu haben. Einen Mann – Engel –, der einfach nur er selbst war. Von Shandraziels Auftauchen einmal abgesehen war der Abend wunderbar gewesen. Jules konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt so viel Spaß gehabt hatte. Oder ob sie sich überhaupt jemals so unbeschwert amüsiert hatte. Sein Kuss war nicht überraschend gekommen. Das Erstaunliche war die Art gewesen, wie er es getan hatte. Sie hatte damit gerechnet, dass er ungestüm und fordernd sein und versuchen würde, sie so schnell wie möglich ins Bett zu kriegen. Aber sein Kuss war sanft gewesen. So als hätten sie alle Zeit der Welt.
    Auch als sie sich ihm anvertraut hatte, hätte er versuchen können, die Situation auszunutzen. Er hatte es nicht getan. Stattdessen hielt er sie im Arm, flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr und tat nichts weiter, als einfach nur da zu sein.
    Dass er sie nicht mit Mitleid überschüttet, sondern – im Gegenteil – seiner Wut über das Verhalten ihrer Mutter Ausdruck verliehen hatte, hatte gutgetan. Auf diese Weise war es ihr leichter gefallen, sich zu öffnen.
    Jules schreckte auf, als Kyriel sich vorsichtig bewegte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie über ihren Gedanken eingenickt war. Sie hob den Kopf von seiner Brust und versuchte etwas zu erkennen, doch die Dunkelheit war noch immer undurchdringlich.
    Kyriel strich ihr über den Rücken. »Ich werde mich mal draußen umsehen.«
    Ihr Rücken war steif geworden und ihre Schulternschmerzten, als sie sich aus seiner Umarmung löste und sich aufsetzte. »Bist du sicher, dass wir uns schon hinauswagen können?«
    »Nein. Deshalb bleibst du hier.« Er strich ihr einmal kurz über die Schulter, eine stumme Versicherung, dass alles gut werden würde, dann stand er auf. Sie spürte die Bewegung, und als er das nächste Mal sprach, kamen seine Worte von weiter oben. »Sperr die Tür hinter mir ab. Wenn die Luft rein ist, hole ich dich.«
    Jules sprang auf. Es war schwierig, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Sie verlor das Gleichgewicht und wäre gestürzt, wenn sie nicht ein Regal zu fassen bekommen hätte. Und wenn Kyriel nicht sofort nach ihrem Arm gegriffen hätte, so zielsicher, als könnte er sie sehen. »Und wenn die Luft nicht rein ist?«
    »Dann komme ich zurück, um mich zu verstecken. So oder so – du bist hier in Sicherheit.«
    Als er sich von ihr entfernte, folgte sie ihm. »Aber du wirst zurückkommen, oder?«
    »Jules.« Er blieb so abrupt stehen, dass sie mit ihm zusammenstieß. Einen Herzschlag später spürte

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