Seelenglanz
während ich mir in Florida die Sonne auf den Bauch scheinen ließ. Ich hatte sie Akashiel gegenüber nicht erwähnt, da mir schnell klar geworden war, dass keiner der Schutzengel die Zeit habenwürde, sie im Auge zu behalten. Wenn ich verhindern wollte, dass Shandraziel sie in die Finger bekam, würde ich selbst auf sie aufpassen müssen. Abgesehen davon war sie eine Nephilim. Japhael würde sie zusammen mit den anderen in dieser Höhle wegsperren, um sicherzugehen, dass sie niemanden angreifen konnte. Womöglich wäre sie dort in Sicherheit, aber ich hatte nicht vor, sie einem Spinner wie Japhael zu überlassen.
»Ruf deinen Chef an und nimm dir ein paar Tage frei, wir machen eine Reise.«
Sie runzelte die Stirn, nicht gerade eine adäquate Reaktion auf einen bevorstehenden Urlaub. »Was? Aber ich kann Mom nicht alleinlassen! Was, wenn Shandraziel sie findet? Abgesehen davon ist sie doch gar nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich kann nicht mitkommen.«
Ich hatte mit Einwänden gerechnet und mir auch schon einen Plan zurechtgelegt, wie ich ihnen begegnen konnte. »Wenn ich dir verspreche, dass für deine Mom gesorgt ist, hörst du dann auf herumzuzicken und kommst mit?«
»Ich zicke nicht!«
»Ja oder nein?« Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich mit ihr anstellen würde, wenn sie mit Nein antwortete. Glücklicherweise sagte sie Ja.
»In Ordnung.« Ich winkte sie zu mir. »Komm her, ich bringe dich nach Hause, damit du ein paar Sachen packen und die Ratten irgendwo unterbringen kannst. In der Zwischenzeit kümmere ich mich um einen Platz für deine Mutter.«
Als sie neben mir stand und ich meinen Arm um ihre Taille legte, fühlte es sich beinahe schon vertraut an, sie mit mir zu nehmen. »Stell dich auf warmes Klima ein«, sagte ich und brachte uns fort.
19
Ich brauchte nicht lange, um einen Platz für Jules’ Mutter zu organisieren. Zum ersten Mal war meine Arbeit als Schutzengel von Vorteil, denn erst vor Kurzem hatte mich ein Auftrag in eine Entzugsklinik geführt, sodass ich jetzt nicht mehr hatte tun müssen, als mich dorthin zu versetzen und die Gedanken der Frau am Empfang und einer Verwaltungsangestellten ein wenig zu manipulieren, und schon war ein Platz für Mrs MacNamara frei.
Sobald ich die Einweisungsformulare in der Tasche hatte, versetzte ich mich in Jules’ Zimmer. Sie stand vor dem Bett über eine weit aufklaffende Reisetasche gebeugt und stopfte allerhand Zeug hinein. Als hätte sie meine Anwesenheit gespürt, drehte sie sich zu mir herum, bevor ich mich bemerkbar machen konnte. Tatsächlich zeigte sich nicht der leiseste Anflug von Erschrecken in ihren Zügen.
»Kyriel, ich weiß wirklich nicht … Ich mache mir Sorgen um Mom.«
»Wenn du hier fertig bist, pack ihr ein paar Sachen zusammen, ich habe einen Platz in einem Sanatorium für sie.«
»Das kann ich nicht bezahlen.«
»Das brauchst du auch nicht.«
»Ich kann das nicht annehmen.«
»Willst du streiten?« Ich seufzte. »Jules, du bist in Gefahr. Willst du allen Ernstes dein Leben und deine Seele riskieren, nur weil du zu stolz bist, Hilfe anzunehmen?«
Einen Moment lang sagte sie gar nichts, sah mich nur schweigend an. Beinahe glaubte ich zu hören, wie die Zahnrädchen hinter ihrer Stirn knirschten, während sie das Für und Wider abwog.
»Himmelarsch, Jules! Sei nicht verrückt!«
»Mom wird nach Hause wollen«, sagte sie schließlich.»Etwas Schreckliches wird passieren, wenn ich nicht hier bin, um auf sie aufzupassen.«
Ich sparte mir den Hinweis, dass sie den größten Teil des Tages doch ohnehin nicht zu Hause war und ihre Mutter das bisher auch überlebt hatte. »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte ich in einer Imitation von Akashiels fürsorglichem Tonfall. »Wir bringen deine Mom hin, und wenn sie wirklich nicht bleiben will, ist das Thema vom Tisch. Gefällt es ihr dort aber, hörst du auf zu diskutieren und akzeptierst, dass du nichts dafür bezahlen musst.« Das musste ich auch nicht, aber Jules konnte schließlich nicht ahnen, dass ich die Frau in der Verwaltung nicht nur dahin gehend manipuliert hatte, Mrs MacNamara als Patientin aufzunehmen, sondern sie auch noch davon überzeugt hatte, dass die Rechnung bereits beglichen war. »Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Ich sah zur Kommode. »Was ist mit Jekyll und Hyde?«
»Eine Nachbarin kümmert sich um sie, ich habe vorhin mit ihr telefoniert und muss ihr nachher nur noch den Schlüssel
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