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Seelengrab (German Edition)

Seelengrab (German Edition)

Titel: Seelengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Buranaseda
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dann los.“
    „Und in den Tagen darauf ist niemandem von Ihnen aufgefallen, dass Susannes Reisegepäck noch in ihrem Zimmer stand?“, fragte Kirchhoff.
    „Nein. Wir leben zwar in einer WG, aber das heißt nicht, dass nicht jeder seinen Freiraum braucht. Susannes Tür war geschlossen. Ein sicheres Zeichen, dass sie keinen Besuch wünscht oder schon weg war.“
    „In Ordnung. Können Sie uns sagen, ob diese Kette Susanne gehörte?“
    Hirschfeld hatte den Beweismittelbeutel mit dem Anhänger auf den Holztisch gelegt.
    „Nein, den habe ich noch nie an Susi gesehen“, schüttelte Richter den Kopf.
    „Können wir einen Blick in ihr Zimmer werfen?“
    „Sicher. Jetzt wird sie wohl nichts mehr dagegen haben.“
    Beim letzten Satz nahm die Stimme des Studenten einen anderen Tonfall an. Vielleicht war Florian Richter nicht ganz so gleichgültig, wie er ihnen gegenüber erscheinen wollte.
    Hirschfeld erhob sich von seinem Stuhl.
    „Einfach den Flur entlang, die letzte Tür links“, wies Richter ihnen den Weg.
    Als sie die Küche verließen, kam ihnen eine zierliche junge Frau entgegen, die von einem Hauch Vanille umgeben war. Sie trug ein schwarzes T-Shirt und eine zerschlissene Bluejeans und war barfuß. Ihre schulterlangen blonden Dreadlocks, die sie mit einem schwarz-weiß karierten Kopftuch zusammengebunden hatte, ließen ihr blasses Gesicht noch schmaler erscheinen. Sie musste geweint haben, denn ihre Augen waren gerötet.
    „Christine Gerstner?“, vermutete Hirschfeld.
    „Ja“, antwortete sie leise. „Leif hat es mir gerade erzählt.“
    Hirschfeld nickte und sagte:
    „Mein aufrichtiges Beileid. Ich nehme an, dass Susanne und Sie sich nahegestanden haben.“
    Die junge Frau warf ihm einen irritierten Blick zu, dann entgegnete sie:
    „Kann man sich in dieser Welt wirklich nahestehen? Ich weiß nur, dass Susi jetzt an einem besseren Ort ist.“
    Christine Gerstner stand eindeutig unter Schock, dachte Hirschfeld.
    „Wir wollten gerade einen Blick in Susannes Zimmer werfen. Warum begleiten Sie uns nicht?“
    „Von mir aus“, sagte die junge Frau und drehte sich um.
    Hirschfeld und Kirchhoff folgten ihr durch den schmalen Gang. Als sie vor Susannes Tür angelangt war, zögerte Christine Gerstner einen Augenblick, bevor sie die Klinke hinunterdrückte.
    „Das war ihr Reich“, flüsterte sie, als betrete sie ein Mausoleum, und schaltete das Licht an.
    Das Zimmer war mit einem alten Dielenboden ausgelegt und höchstens 15 oder 17 Quadratmeter groß. Die Stuckdecke war an die vier Meter hoch. Die hintere und rechte Wand waren himmelblau gestrichen. Direkt über dem Türrahmen begann eine selbst gezimmerte Hochbettkonstruktion aus Holz, die über eine abenteuerliche Leiter aus zwei Seilen und Brettern zu erreichen war. Darunter standen ein Schreibtisch und, rechts neben der Tür, ein schmales, jedoch vollgestopftes Bücherregal. Hirschfeld zog reflexartig den Kopf ein, während er die Buchrücken im obersten Fach überflog: Goethe, Kafka, Thomas Mann, Benn, Schopenhauer, Nietzsche. Viel anders sahen die WG-Zimmer in Berlin auch nicht aus, dachte er.
    „Musste Susanne sehr leiden?“, fragte Christine Gerstner unvermittelt und setzte sich im Schneidersitz in einen Korbsessel, der vor dem Fenster stand.
    „Nein“, antwortete Hirschfeld, obwohl er sich dessen nicht sicher war. „Haben Sie eine Vorstellung, wer ihr das angetan haben könnte?“
    „Ich kann nicht glauben, dass Susi nicht mehr lebt. Dass sie ermordet wurde, kapiere ich erst recht nicht.“
    Christine Gerstner stützte das Kinn auf ihre verschränkten Hände und sah ihn traurig an.
    „Erzählen Sie uns etwas über sie.“
    „Susanne war eine Einzelgängerin. Sie war nicht besonders kommunikativ, hat ihr eigenes Ding gemacht.“
    „Warum ist sie dann in eine WG gezogen?“
    „Keine Ahnung, haben wir uns auch öfter gefragt.“
    „Vielleicht aus finanziellen Gründen?“, mutmaßte Kirchhoff, der damit begonnen hatte, einen Papierstapel auf Susannes Schreibtisch durchzusehen.
    „Schon möglich, darüber weiß ich nicht Bescheid.“
    „Fällt Ihnen sonst noch irgendetwas ein?“
    „Susi hat sich immer für andere stark gemacht.“
    „Sie meinen, Sie war ein emphatischer Mensch?“
    „Ja, so könnte man es auch ausdrücken. Susi war sehr kämpferisch, hat sich aber auch oft selbst angegriffen gefühlt.“
    „War Susanne mit jemandem liiert?“, erkundigte Hirschfeld sich weiter.
    „In letzter Zeit nicht, glaube ich. Flo war allerdings

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