Seelengrab (German Edition)
über seinen Vater verloren.
„Das ist eine lange Geschichte, Peter.“
„Das denk ich mir“, entgegnete Kirchhoff. „Wenn du darüber sprechen willst …“
„Ein anderes Mal vielleicht.“
Kirchhoff sah zur Seite. Er wirkte gekränkt, weil Hirschfeld ihn nicht ins Vertrauen zog.
„Versteh mich nicht falsch, aber …“
„Nein, ich bitte dich“, unterbrach Kirchhoff seinen Partner. „Du bist mir keine Erklärung schuldig, ehrlich nicht.“
„Mir gehen zurzeit nur viele Dinge durch den Kopf. Mein Vater hat die Kontrolle über sich verloren. Das Haus meiner Eltern ist vollkommen verwahrlost. Und ich bin nicht einmal sicher, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“
„Du meinst, nach Bonn zu kommen?“
„Ja.“
„Du fühlst dich verantwortlich für deinen Vater.“
„Ja, das ist richtig. Dabei mag ich ihn nicht einmal besonders.“
„Verstehe“, erwiderte Kirchhoff ernst. „Das kommt in den besten Familien vor. Mein Sohn will auch nichts mehr von mir wissen.“
Hirschfeld zog die Augenbrauen hoch. Er wusste nicht einmal, dass Kirchhoff verheiratet war, geschweige denn, dass er einen Sohn hatte.
„Wie alt ist er?“, erkundigte sich Hirschfeld.
„27 Jahre. Er geht seinen eigenen Weg. Seit der Scheidung haben wir kaum noch ein Wort miteinander gewechselt.“
Das war bitter. Langsam begriff Hirschfeld, warum Kirchhoff so verschlossen war.
„Was machen deine Kopfschmerzen?“, war es nun an Kirchhoff, das Thema zu wechseln.
„Schon besser, danke. Dieser Jesus-Anhänger lässt mir keine Ruhe. Vielleicht hatte die Tat einen religiösen Hintergrund“, dachte Hirschfeld laut. „Ein fanatischer Spinner, der Susanne bekehren wollte?“
Dem Kriminalhauptkommissar gefiel diese Vorstellung nicht, aber sie mussten jede Möglichkeit in Betracht ziehen.
„Du meinst, Susannes Mörder könnte ihr die Kette angelegt haben?“, fragte Kirchhoff und nahm ihm gegenüber an seinem Schreibtisch Platz.
„Das wäre eine Möglichkeit“, antwortete Hirschfeld und bemerkte, dass sein Partner ebenfalls abgekämpft wirkte.
Dunkle Schatten zeichneten sich deutlich unter Kirchhoffs Augen ab. Seine Wangen waren eingefallen. Die Ermittlungen forderten von jedem einzelnen Beamten der Mordkommission ihren Tribut.
„Wenn du mich fragst, sollten wir Florian Richter nicht aus dem Blick verlieren.“
„Susannes Mitbewohner? Welches Motiv sollte er gehabt haben?“
Der Schmerz pochte immer noch hinter seiner Schläfe.
„Verschmähte Liebe“, antwortete Kirchhoff und verschränkte die Finger ineinander. „Eine Zurückweisung zu viel und er ist durchgedreht.“
„Richter ist ziemlich ruhig geblieben, als wir ihm die Todesnachricht überbracht haben. Aber ich konnte keine Anzeichen von Nervosität an ihm feststellen.“
„Ja, er war ziemlich gelassen. Andererseits: Wie vielen Mördern bist du in der Vergangenheit begegnet, denen du ihre Tat auf Anhieb angesehen hast?“
Hirschfeld nickte. Kirchhoff hatte Recht. Die meisten Täter ließen ihre Maske erst nach stundenlangen Verhören fallen.
„Eine Beziehungstat?“
Hirschfeld musste diesen Gedanken für einen Augenblick auf sich wirken lassen. Er dachte an die Nacht, in der sie Susannes Leiche geborgen hatten. Für ihn stand fest, dass der Täter versucht hatte, die Tote zu verstecken. Dennoch beunruhigte ihn die Auffindesituation. Susanne hatte auf den ersten Blick keine äußeren Verletzungen aufgewiesen. Sie wirkte fast makellos. Bei einer Tat, die einen persönlichen Hintergrund hatte, hätte er eine größere Gewalteinwirkung erwartet. Hirschfeld gab dies zu bedenken, während das KK 11 langsam zu erwachen begann. Türen schlugen und gedämpfte Stimmen aus den angrenzenden Büros drangen zu ihnen durch die Wände.
„Ich weiß, was du meinst. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Opfer und Mörder sich kannten. Der Fundort kann auch inszeniert gewesen sein“, wandte Kirchhoff ein, „gewissermaßen, um von einer Beziehungstat abzulenken.“
„Sicher, das ist ein Argument“, erwiderte Hirschfeld und schaute auf die Uhr. In zehn Minuten begann die Morgenbesprechung. Kirchhoff war seinem Blick zur Uhr gefolgt.
„Soll ich dir noch einen Kaffee mitmachen?“
„Nein, danke. Geh ruhig schon mal vor, ich möchte noch eine Sache überprüfen.“
„In Ordnung, aber mach nicht zu lang.“
Damit stand Kirchhoff von seinem Platz auf und verließ ihr Büro. Hirschfelds Bericht konnte warten. Stattdessen loggte er sich ins ViCLAS,
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