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Seelengrab (German Edition)

Seelengrab (German Edition)

Titel: Seelengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Buranaseda
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Empörung über ihre Unterhaltung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Kirchhoff versuchte, sie mit einer Handbewegung zu besänftigen, bewirkte jedoch nur, dass die Frau mit der Spitze ihres Regenschirms auf den Asphaltweg klopfte, bevor sie aufgebracht weiterlief. Hirschfeld und Kirchhoff ließen sich in der Reihe zurückfallen. Nachdem die Dame außer Hörweite war, antwortete Hirschfeld leise:
    „Nein, dann müsste Florian Richter schon ein begnadeter Schauspieler sein. Nachdem wir die Leiche von Lena Zimmermann gefunden haben, bin ich allerdings immer überzeugter davon, dass der Täter seine Opfer nicht gekannt hat.“
    Sie verließen den alten Teil des Friedhofs. Waren die Ruhestätten gerade noch opulent geschmückt, so reihten sich nun einheitliche Grabanlagen mit schlichten Steinplatten oder Holzkreuzen aneinander.
    „Verstehe“, erwiderte Kirchhoff und legte den Kopf schief.
    In diesem Moment geriet der Trauerzug ins Stocken. Offenbar hatte er bereits die Grabstelle erreicht, die für Susanne Bach bestimmt war. Die beiden Hauptkommissare blieben stehen und ließen die Nachzügler vorbei. Hirschfeld beschloss, nicht mehr an der Beisetzung des Sarges teilzunehmen. Er hatte genug gesehen und zweifelte plötzlich daran, dass Susannes Mörder sich auf dem Friedhof aufhielt. Hirschfeld musste Abstand gewinnen, seine Gedanken ordnen.
    „Warte nicht auf mich, ich drehe noch eine Runde über den Friedhof“, verabschiedete Hirschfeld sich von Kirchhoff.
    Sein Partner zog die Augenbrauen hoch, dann zuckte er mit den Schultern:
    „Wie du meinst, wir sehen uns am Montag.“
    Hirschfeld brauchte eine Weile, bis er das Grab seiner Mutter ausfindig gemacht hatte. Seit ihrer Beerdigung war er nicht mehr hier gewesen. Er schämte sich fast, dass er vergessen hatte, ein paar Blumen zu kaufen. Der Zustand des Grabes traf Hirschfeld umso härter. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war das Glas der Grableuchte zerbrochen. Überall wucherte Efeu und bedeckte fast das gesamte Grab. Obwohl Hirschfeld wusste, dass sein Vater in den letzten Monaten nicht in der Lage gewesen war, sich um die Pflege des Grabes zu kümmern, stieg Wut in ihm auf. Selbst nach dem Tod schien Heinrich Hirschfeld seine Frau zu vernachlässigen.
    „Ich bring das wieder in Ordnung“, sagte Hirschfeld leise.
    Es fing an zu schneien. Sanft schwebten die Schneeflocken vom Himmel herunter, setzten sich auf den Grabstein, um sofort wieder zu schmelzen und einen Wasserfilm zu hinterlassen.
    „Haben Sie sich verlaufen?“, hörte Hirschfeld plötzlich eine bekannte Stimme hinter sich.
    Er wandte sich um. Renee stand vor ihm. Die Fotografin trug einen grauen Wollmantel und hielt die Kamera, die um ihren Hals hing, in der Rechten. Bevor Hirschfeld etwas erwidern konnte, warf sie einen Blick auf den Grabstein.
    „Oh, ich wusste nicht …“
    „Schon gut, woher sollten Sie auch?“
    „Haben Sie sich gut verstanden?“
    „Ja.“
    Hirschfeld war erleichtert, dass Renee nicht weitersprach. Sie standen eine Weile schweigend vor dem Grab seiner Mutter und beobachteten, wie sich der Schneefall verdichtete. Als sie sich schließlich zum Gehen wandten, hakte sich Renee bei Hirschfeld unter. Die meiste Zeit über konnte Hirschfeld Nähe nicht ertragen. In diesem Augenblick war er jedoch dankbar, dass sie seinen Schmerz teilte.

51
    Leg die Hand auf die Brust. Fühl mein Herz. Zähl die Schläge. Eins, zwei, drei, vier. Jeden Augenblick kann es stehen bleiben. Das weiß ich ganz genau. Jetzt wird es schneller. Ich hab Angst. Das Blut rauscht mir in den Ohren. Ich halt die Luft an und schließ die Augen. Horch in mich hinein. Nichts zu hören. Hab das Gefühl, als würde sich irgendwas auf meinen Brustkorb hocken. Bekomme keine Luft mehr. Wie damals auf dem Schulklo. Ich balle die Fäuste und spür, dass mein Herz immer langsamer wird. Gleich hört es auf zu klopfen. Bin sicher, dass es zu Ende geht mit mir.
    Sie sind überall. Bakterien. Unsichtbare Punkte, die durch die Luft fliegen und auf meiner Haut landen. Wenn es zu viele werden, lauf ich zum Waschbecken. Mit einem Papierhandtuch dreh ich den Hahn auf. Dann lass ich das Wasser laufen und putz das Becken. Nach einer Weile wasch ich mir die Hände. Die Seife ist ganz rau. Ich nehme die Nagelbürste dazu. Und schrubb mir den Dreck weg. Immer weiter und weiter. Aber er will einfach nicht weggehen. Manchmal kommen mir die Tränen, weil es so brennt. Aber ich mach trotzdem weiter. Muss sauber werden. Rein. Auch wenn

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