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Seelengrab (German Edition)

Seelengrab (German Edition)

Titel: Seelengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Buranaseda
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es anfängt zu bluten.

52
    Am nächsten Tag war Hirschfeld früh auf den Beinen. Die Übellaunigkeit, die ihn regelmäßig an Sonntagen überfiel, stellte sich zu seiner Überraschung an diesem Morgen nicht ein. Die Begegnung mit Renee hatte seine Stimmung so sehr gehoben, dass Hirschfeld sich mit dem Gedanken anfreunden konnte, seinen Vater in der Klinik zu besuchen. Nach dem Vorfall im Werkraum hatte Hirschfeld ihn mit Ignoranz gestraft. Nicht einmal zu einem Anruf hatte er sich in den letzten Tagen hinreißen lassen. Doch so konnte es nicht weitergehen. Schließlich hatte Hirschfeld sein Leben in Berlin nicht aufgegeben, um sich jetzt seiner Verantwortung zu entziehen. Sein Vater brauchte ihn, ob der alte Herr sich das eingestehen wollte oder nicht.
    Wie bei seinem ersten Besuch machte Hirschfeld sich zu Fuß auf den Weg. Diesmal blieb er von kostümierten Menschen verschont. Als er das Zimmer seines Vaters betrat, war Hirschfeld bestürzt. Der Anblick seines Vaters ließ ihn alle guten Vorsätze über Bord werfen. Heinrich Hirschfeld lag stocksteif in seinem Bett und starrte an die Decke. Sein Pyjama war nur bis zur Mitte zugeknöpft, als hätte sein Vater auf halbem Weg vergessen, womit er beschäftigt war. Er sah verwahrlost aus. Seine Haare klebten ihm am Kopf und Hirschfeld fragte sich, ob sein Vater in der Klinik tatsächlich gut aufgehoben war.
    „Wie geht es dir?“
    Heinrich Hirschfeld presste die Lippen zusammen. Als Hirschfeld näher an sein Bett trat, drehte er demonstrativ den Kopf zur Seite.
    „Ich weiß, dass du sauer bist“, sagte Hirschfeld und zog die Hand zurück, mit der er den Arm seines Vaters leicht berührt hatte. „Aber wir müssen uns beide zusammenreißen.“
    „Verschwinde, ich hab dir nichts zu sagen!“
    Heinrich Hirschfeld war mehr als sauer, das war nicht zu überhören.
    Hirschfeld ließ seinen Vater ein paar Minuten schmollen. Als sein alter Herr keine Anstalten machte, sein Schweigen zu brechen, entschied Hirschfeld:
    „Okay, vielleicht beruhigst du dich ein wenig. Ich sehe gleich noch mal nach dir.“
    Er verließ das Krankenzimmer und machte sich auf die Suche nach dem blassen Pfleger, der ihn bereits bei seinem ersten Besuch auf die Station gelassen hatte.
    „Wie ist es gelaufen?“, empfing Hirschfeld der junge Mann, der von seinem Erscheinen nicht überrascht schien, vor dem Stützpunkt.
    Er hielt eine Kunststoffkanne mit Wasser in der Hand.
    „Ich dringe nicht zu ihm durch. Er hat auf Durchzug gestellt“, erwiderte Hirschfeld.
    „Das wundert mich nicht. Er hat sich nach Ihrem letzten Zusammentreffen furchtbar aufgeregt.“
    „Verstehe. Mein Vater …“
    „Schon gut“, hinderte der Pfleger Hirschfeld daran, weiterzusprechen, und setzte seinen Weg fort. „Sie sind mir keine Erklärung schuldig. Ihr Vater ist keine einfache Persönlichkeit, das haben wir bereits festgestellt. Wenn er einen psychotischen Schub hat, ist er kaum ansprechbar. Zurzeit benimmt er sich allerdings eher wie ein kleines Kind.“
    „Besser hätte ich es nicht auf den Punkt bringen können“, lächelte Hirschfeld schwach.
    „Schon gut. Vielleicht gehen Sie ein paar Schritte mit ihm. Das wird ihn auf andere Gedanken bringen.“
    „Das ist erlaubt?“, war Hirschfeld überrascht. Eigentlich hatte er vorgehabt, seinen Aufenthalt in der Klinik nicht unnötig in die Länge zu ziehen.
    „Natürlich, das ist ja hier kein Gefängnis. In Begleitung von Angehörigen sind kleine Ausflüge sogar erwünscht. Sie können hinter der Klinik im Park spazieren oder etwas essen gehen.“
    „Essen hört sich gut an“, nickte Hirschfeld.
    „Schön, ich drehe noch meine Runde“, erwiderte der Pfleger und hielt die Wasserkanne hoch, „dann helfe ich Ihrem Vater beim Ankleiden. In seinem Zustand können wir ihn nicht unter Leute schicken.“
    Eine halbe Stunde später führte Hirschfeld seinen Vater zu einem Tisch in einer nahe gelegenen Gaststätte. Der Pfleger hatte sein Bestes gegeben, dennoch sprachen die Blicke der Bedienung Bände. Die Frau war Mitte 40 und trug eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock, der ihr um die Hüften zu eng war. Das wasserstoffblonde Haar hatte sie hochgesteckt. Hinter ihrem Ohr steckte ein Bleistift.
    „Was darf’s denn sein?“, erkundigte sich die Kellnerin, zog einen Block aus der Rocktasche und griff nach dem Stift.
    „Zur Feier des Tages genehmige ich mir zwei Kölsch und einen Kurzen“, antwortete Heinrich Hirschfeld und strich mit der Hand über die

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