Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Garten vielleicht seine Tochter sein?
»Hallo, ich möchte gern zu Herrn Tenstaage, ist er da?«, sprach Suna sie an.
Die Frau blickte auf und musterte die Privatdetektivin misstrauisch. »Nein«, gab sie vorsichtig zurück.
»Sie sind sicher seine Tochter?«, mutmaßte Suna. Damit entlockte sie der Frau ein helles Lachen.
»Das denken viele, aber ich bin seine Ehefrau. Mein Mann ist ein wenig älter als ich.« Sie sprach mit deutlichem Akzent.
Suna lächelte. Sie war mal wieder ins Fettnäpfchen getreten, aber glücklicherweise schien die Frau es ihr nicht übelzunehmen. Sie sah höchstens aus wie Anfang zwanzig.
»Bitte entschuldigen Sie, ich wollte nicht unhöflich sein. Mein Name ist Suna Lürssen, ich bin private Ermittlerin.« Sie hielt der Frau die Hand hin, die diese vorsichtig schüttelte. Dass Suna sich als Ermittlerin vorgestellt hatte, schien sie ein wenig eingeschüchtert zu haben.
»Lucia Tenstaage«, erwiderte sie leise.
»Freut mich. Ich würde gern mit Ihrem Mann sprechen, ist er zuhause?«
»Er ist nicht da«, erwiderte die junge Frau schnell. Ein wenig zu schnell für Sunas Geschmack. »Er ist nach Argentinien geflogen, wegen einer Familienangelegenheit«, fügte sie noch hinzu.
Suna runzelte die Stirn. »Kann ich ihn dort telefonisch erreichen?«
»Das geht leider nicht. Unsere Familie wohnt ziemlich weit draußen auf dem Land. Dort gibt es noch kein Telefon. Und auch kein Handynetz.«
»Aha.« Suna bemühte sich nicht, vor der jungen Frau zu verbergen, dass sie wenig überzeugt von ihrer Antwort war. »Können Sie mir dann wenigstens sagen, wann er wiederkommt?«
Lucia Tenstaage reagierte ziemlich nervös auf diese einfache Frage. Ihr Blick begann zu flackern.
»Ich weiß es nicht«, stieß sie hervor, »aber wenn Sie ihm eine E-Mail schreiben wollen ...« Sie stockte, als sie Sunas skeptischen Blick sah.
»Frau Tenstaage«, begann Suna in eindringlichem Tonfall. »Wollen Sie mir nicht die Wahrheit sagen? Sie wissen so gut wie ich, dass ihr Mann nicht in Argentinien ist. Also, wo steckt er wirklich?«
»Nein, ich sagte doch ...«
»Frau Tenstaage«, unterbrach Suna sie sofort. Sie sprach ruhig, aber bestimmt. »Wenn es wirklich um eine Familienangelegenheit in Argentinien ginge, wären Sie doch mit Sicherheit mitgeflogen, anstatt hier die Rosen zu schneiden, oder? Es ist doch Ihre Familie, die dort wohnt, nicht seine. Außerdem ist es nicht gerade logisch, dass er zwar E-Mails beantworten kann, aber telefonisch nicht erreichbar ist. Sprechen Sie mit mir, sonst muss ich mich an die Polizei wenden.«
Plötzlich stand deutlich die Angst in Lucias Miene. Sie sah sich nach allen Seiten um, ob sie eventuell von Nachbarn beobachtet wurden. »Bitte, kommen Sie mit mir ins Haus«, sagte sie leise, nachdem sie sich versichert hatte, dass niemand zuhörte.
Sie führte Suna nach drinnen ins Wohnzimmer und deutete auf einen Stuhl am großen Esstisch. »Bitte«, sagte sie und setzte sich Suna gegenüber.
Der Raum war vollkommen durchgestylt. Alle Möbel passten perfekt zueinander und wirkten wie eine Werbeanzeige in einem Design-Katalog. Sehr modern, sehr edel und sehr ungemütlich, dachte Suna bei sich.
»Also, bitte erzählen Sie mir von Ihrem Mann. Was ist mit ihm passiert?«, fragte sie noch einmal betont freundlich. Mit ihren großen dunklen Augen in dem hübschen Gesicht erinnerte Lucia sie an das sprichwörtliche Kaninchen, das auf die Schlange starrt.
»Er ist verschwunden!«, brach es aus der jungen Frau heraus. »Schon seit beinahe einem Monat. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt.«
Suna starrte sie erstaunt an. Mit einer solchen Offenbarung hatte sie nicht gerechnet. Sie überlegte kurz. »Ihr Mann war am 27. Februar das letzte Mal im Büro, hat mir Celina erzählt. Ist er seit diesem Tag weg?«
Lucia nickte unglücklich. »Am Abend hatte er noch einen wichtigen Termin bei einer Anwaltskanzlei in Hamburg. Dort war er auch, aber anschließend ist er nicht mehr nach Hause gekommen.«
»Und Sie haben seitdem nichts mehr von ihm gehört? Gar nichts?«, erkundigte sich Suna erstaunt.
»Nein.« Lucia schüttelte den Kopf. »Am Anfang dachte ich, er wäre vielleicht bei einem Freund und würde bald wiederkommen, aber nach ein paar Tagen war mir klar, dass es das nicht sein konnte. Dann dachte ich, er wäre entführt worden und die Entführer würden sich bei mir melden, um Lösegeld zu erpressen. Aber es passierte einfach nichts.«
Suna überlegte einen Augenblick. »War Ihr Mann
Weitere Kostenlose Bücher