Seelennoete
fernhalten“, sagte Abernathy.
„Ich glaube, er kommt schon wieder hoch!“ Er zielte auf die Luftblasen, die zwischen ihm und dem kleinen Schlauchboot im Wasser aufstiegen.
„Sind Sie wahnsinnig?? Sie könnten Sam treffen!“, schrie Bill ihn an.
„Und gegen einen Wal richten Sie mit der Knarre nichts aus! Seien Sie doch vernünftig!“, rief George.
Als Abernathy den Blick hob, sah George, dass der Mann, der sich an das gekenterte Boot klammerte, und mit zittriger Hand auf das Wasser zielte, den Punkt der Vernunft weit hinter sich gelassen hatte.
„Verstehen Sie nicht? Ich habe alles verloren! Alles, was ich hatte!!“, schrie Abernathy.
„Eigene Selbstschuld“, sagte Bill leise.
„Ich glaub, der Wal kommt rauf“, sagte Laine. Und dann brach der riesige Körper durch die Wasseroberfläche. Auf seiner Nase balancierte er vorsichtig eine leblose Gestalt.
Laine schrie gequält auf und wollte ins Wasser zu Sam springen, aber George hielt sie zurück.
„Das bringt nichts. Bleib hier, Kleines, bleib hier.“ Er zog sie in seine Arme und hielt sie fest.
Abernathy fiel die Pistole aus der Hand, ohne dass er es merkte. Der Schock lähmte ihn. Das Blut … das viele Blut … das Einschussloch in Sams linker Brust …
Der Wal ließ Sam zurück ins Wasser fallen, das sich an der Stelle sofort rötlich färbte. Dann tauchte er, und Sam, der noch kurz an der Wasseroberfläche trieb, versank langsam in der Tiefe.
Das kalte Salzwasser umfing ihn, als Abernathy sprang. Gerade noch konnte er den hellen Fleck ein paar Meter unter sich ausmachen. Er paddelte ihm mit aller Kraft entgegen, dann hatte er Sam erreicht. Er packte ihn und zog ihn zur Oberfläche.
ER verstand nicht, wo der kleine Fisch geblieben war. Der Störer befand sich schon wieder im Wasser.
ER verlor die Geduld.
„Helfen Sie mir!“, rief Abernathy, aber es war nicht mehr nötig. Die anderen waren bereits mit dem Schlauchboot neben ihm.
„Helfen Sie mir“, keuchte er wieder und Hände streckten sich nach Sam aus. Sie zogen ihn ins Boot, wo Bill sofort sein Hemd auszog und auf die Wunde presste.
„Lebt er noch?“, fragte Abernathy außer Atem.
„Bitte, ich muss es wissen. Sagen Sie’s mir. Gott, ich hab ihn umgebracht … ich wollte das nicht … ich wollte Sam nicht verletzen ...“ Er weinte.
George tastete nach Sams Halsschlagader, fand aber keinen Puls. Dann hustete Sam einmal und sein Brustkorb hob sich.
„Er atmet noch“, sagte George ruhig. Laine liefen die Tränen über das Gesicht. Bill drückte das T-Shirt auf Sams Brust, das sich immer mehr rot färbte.
„Bitte retten Sie ihn“, flüsterte Abernathy. „Los, machen Sie schon! Bringen Sie ihn an Land, tun Sie was!“ Abernathy strich einmal mit der Hand über Sams Fluke. „Das kann ich nie wieder gut machen“, sagte er. Dann wandte er sich ab und schwamm zu dem gekenterten Boot zurück.
„Was machen Sie da?“, rief George. Abernathy murmelte etwas und schwamm weiter.
„Er hat gesagt, ‚Ich habe meinen Sam umgebracht’“, meinte Bill.
„Nein, ich glaube, er hat gesagt ‚Ich habe meinen Sohn umgebracht’“, sagte George.
„Wie auch immer. Wir müssen so schnell wie möglich ans Ufer. Laine, übernimm mal.“
„Schaffst du das, Kleines?“, fragte George. Laine nickte und übernahm das T-Shirt, während die beiden Männer zu den Paddeln griffen.
Abernathy schwamm zu dem Boot zurück. Was er dort wollte, wusste er selbst nicht genau. Sein Leben war zu Ende. Er hatte … ihn erschossen. Er war ein Mörder. Sein kleiner Sam war tot. Abernathy schluchzte und seine Tränen fielen ins Meer, während er weiterschwamm. Er hatte nicht gewusst, dass etwas so wehtun konnte. So unendlich weh. Sein kleiner Sam … gerade noch hatte er mit ihm gesprochen. Und jetzt war sein Leben vorbei. Gregs und Sams Leben vorbei. Das klang furchtbar traurig.
Ein Schatten schob sich zwischen ihn und die Sonne. Und dann ging die Welt in einer kalten Explosion unter.
Die Menschen in dem kleinen Boot drehten sich um. Jemand schrie. Aber das hörte Abernathy nicht mehr.
Jerry Duncan hob müde den Kopf, als sein grünes Handy läutete. Das Festnetz oder sein anderes Handy hätte er um die Uhrzeit einfach ignoriert, aber wenn das grüne Handy sich meldete, dann musste er ran. Er langte nach dem energisch klingelnden Teil und hob es ans Ohr.
„Jup.“ Keine Antwort.
„Ach so, Knopf drücken. Was ist?“
„Jerry!“
„George. Um die
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