Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
fixierte Peter Nachtigall eindringlich. »Du bist echt, oder?«, seine Aussprache war noch etwas undeutlich
Nachtigall nickte.
»Scheiße eh, wenn du nie weißt, ob das, was du siehst, auch existiert oder eben nicht. Die Schwestern haben mir erzählt, was ich so von mir gegeben hab. Peinlich kann ich da nur sagen. Voll peinlich.«
»Ich heiße Peter Nachtigall und bearbeite den Mord an Friederike Petzold. Die kanntest du doch auch, oder?«
»Ja, schon. So ein bisschen eben. Die hat mich immer so abfällig behandelt. Als wär ich noch ein Kind!«, empörte sich das Kind in dem Extralargebett.
»Darüber hast du dich geärgert.«
»Klar, Mann. Wenn die dich nicht für voll nimmt, da musste dich doch ärgern.«
»Versteh ich gut. Da wäre ich auch sauer«, er nahm die kleine, knochige Hand in seine Pranken.
»Kalte Hände. Bei der Hitze? Amphibien in der Verwandtschaft?«
»Möglich. Siehst du den bunten Schmetterling da drüben auch? Den mit den kleinen hellblauen Hörnern?«
»Ja, klar. Der ist schön«, log Peter Nachtigall.
»Meine Eltern kommen gleich. Hat die Schwester jedenfalls gesagt. Gestern waren die angeblich auch schon da, aber daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Sie werden dich mit nach Hause nehmen, wenn es dir wieder bessergeht.«
»Nee, das glaub ich eher nicht. Nach dem zu urteilen, was die Schwester mir erzählt hat, haben die gesagt, sie wollen mich nicht wiederhaben. Wir werden sehen.«
»Möchtest du denn wieder nach Hause?«, fragte Nachtigall und schluckte gegen den dicken Kloß in seinem Hals an. Das konnte doch nicht wahr sein. Groovi war noch ein Kind!
»Hast du denn schon Besuch gehabt?« Ein Ablenkungsversuch. Für uns beide, dachte Nachtigall.
»Ja. Marlin war hier und Lucifer. Aber das darf keiner wissen.« Wieder zog der Junge die Stirn kraus. »Wenigstens glaube ich, dass die beiden da waren. Vielleicht habe ich es mir aber auch nur eingebildet.« Er versuchte ein Lächeln. Der Versuch misslang und Tränen stiegen in seine Augen.
»Ey – wenn du jetzt weinst, siehst du gar nichts mehr«, flüsterte Nachtigall dicht an Groovis Ohr. »Du hast Pupillen so groß wie Untertassen – damit kannst du ohnehin nur ziemlich verschwommen sehen. Mit den Tränen raubst du dir den Rest deiner Sehfähigkeit.«
Sie lachten beide und Groovi wischte die Tränen weg.
»Langweilig hier? Ah – du hast da ein Buch liegen.«
»Ja. Das ist toll. Ich habe es immer im Rucksack.«
»Na – da hast du dir ordentlich was vorgenommen. Ein dickes Buch. Aber hier stört dich keiner beim Schmökern.«
»Ich kann aber im Moment nicht lesen. Wenn ich das Buch aufschlage sehe ich nur die weißen Seiten – von Buchstaben keine Spur.«
»Das wird wieder. Zeig mal, was wolltest du denn lesen?«
Groovi hob vorsichtig das Buch von seinem Nachttisch. Er konnte es kaum halten. Das Buch war wirklich dick und blau eingebunden. Vom Umschlag aus sah ein blauer Drache Nachtigall an.
»Eragon. Aha«, murmelte er. Rasch überflog er den Klappentext. Es war die Geschichte eines blauen Drachens und seines Menschen. Peter Nachtigall schmunzelte. Manche Dinge änderten sich eben nie. Kinder in dem Alter liebten Abenteuergeschichten mit Drachen oder auch ohne.
Es klopfte und die Schwester sagte feixend:
»Na, heute ist hier so ein Andrang vor deinem Zimmer, ich komme an den Massen kaum noch vorbei.«
Ernster fügte sie hinzu: »Deine Eltern sind da.«
Nachtigall drückte dem Jungen aufmunternd die Hand und verließ den Raum. Vor der Tür traf er auf ein Ehepaar, das einen unterkühlten Eindruck machte. Die Mutter maß ihn von oben bis unten mit missbilligendem Blick. Ihr Mann starrte ihn offen feindselig an.
»Darf ich erfahren, wer Sie sind?«
»Kriminalhauptkommissar Peter Nachtigall.«
»Ach was, jetzt ermittelt schon die Kriminalpolizei gegen ihn. Das wird immer besser.«
»Nein, ich ermittle nicht gegen ihn. Eine Bekannte von ihm wurde ermordet und ich versuche herauszufinden, wer der Täter war.«
»Und was wollen Sie dann von unserem Sohn? Ist er etwa des Mordes verdächtig?«
»Aber nein. Ich wollte nur sehen, ob er sich besser fühlt.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, was Sie das angeht.«
»Wissen Sie schon, wann Sie ihn mit nach Hause nehmen können?«
»Auch das geht Sie nichts an.«
»Doch. Ich habe vielleicht noch Fragen an ihn. Er ist schließlich ein Zeuge. Daher wäre es gut, ich wüsste, wo ich ihn im Zweifelsfall erreichen kann.«
»Das haben Ihre Kollegen doch prima ganz von
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