Seelenriss: Thriller
flachen Hand erleichtert auf die Brust zu schlagen. »Napoleon, wo kommst du denn jetzt her?« Der Kater kam maunzend auf sie zu. Lena hob ihn hoch und trug ihn in die Küche. »Tut mir leid, Tiger, habe ganz vergessen, dich zu füttern.« Seufzend stellte sie ihm sein Katzenfutter hin und ging ins Badezimmer, um sich zu duschen. Doch selbst unter der Dusche wollte es ihr nicht gelingen, sich zu entspannen. Was macht diesen Psychopathen so wütend, dass er bereit ist, dafür zu töten? , ging es ihr durch den Kopf, als sie mit geschlossenen Augen unter dem warmen Wasserstrahl stand. Und welche dunkle Vergangenheit haben seine Opfer gemein?
Je länger sie darüber nachgrübelte, desto mehr Kontur nahm das Bild an, das sie von der Bestie im Kopf hatte. Lena ging davon aus, dass er arbeitslos war oder aber genügend Zeit hatte, um den ganzen Tag auf der Lauer zu liegen und seine Opfer auszuspähen. Zudem kennst du dich mit Schlössern aus und weißt, wie du einen Einbruch begehst, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber warum hast du ausgerechnet mich zu einem Teil deines kranken Spiels gemacht? , fragte sie sich, verärgert darüber, dass seit Erhalt ihrer Morddrohung bereits eine gute Woche vergangen war und die Ermittlungen kaum vorangekommen waren.
Sie wollte eben ihre Haare ausspülen, als sie ein Knarren im Flur aufhorchen ließ. Lena stellte das Wasser ab und verharrte einen Augenblick lang mit gespitzten Ohren in der Dusche. Doch da war nichts. Großer Gott, jetzt werde ich schon paranoid!
Später hätte sie nicht mehr sagen können, ob sie den Luftzug bemerkt hatte, bevor oder nachdem das Licht erloschen war. Unwillkürlich zuckte sie zusammen, als es im Badezimmer urplötzlich so dunkel war, dass sie ihre eigene Hand vor Augen nicht sehen konnte. Panik durchflutete sie, und ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust. Rasch stellte sie das Wasser wieder an, um dann lautlos den Vorhang beiseitezuschieben. Sie stieg aus der Dusche, tastete blind nach dem Badetuch, band es sich hastig um und näherte sich mit ausgestreckten Armen der Badezimmertür. Suchte die Wand nach dem Lichtschalter ab. Fand ihn, doch der Schalter schien nicht zu funktionieren.
Vorsichtig öffnete Lena die Badezimmertür. Im Flur und in den übrigen Zimmern war es ebenfalls stockfinster. Lenas Herz begann erneut zu rasen. Für einen Moment zog sie in Erwägung, dass die Sicherung herausgesprungen war. Schließlich wäre das nicht das erste Mal. Es sei denn, der Schalter war absichtlich umgelegt worden.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und trat schutzlos in den Flur hinaus. Ihre nassen Haare tropften auf die Dielen, während sie auf Zehenspitzen über den unbeleuchteten Flur schlich. Sie achtete auf jedes Geräusch und spähte im Vorbeigehen in die leeren Räume, in die das fahle Mondlicht schien. Sie bewegte sich auf den Sicherungskasten zu. Kaum hatte sie den Hauptschalter betätigt, ließ ihre Panik schlagartig nach. Allem Anschein nach war die Sicherung tatsächlich herausgesprungen, denn mit einem Schlag war die Wohnung wieder hell erleuchtet. Dennoch traute Lena dem Frieden nicht. In höchster Alarmbereitschaft schlich sie zur Garderobe und schob ihren Trenchcoat beiseite, der ihr Schulterholster verbarg. Sie konnte von Glück reden, dass Drescher ihre Dienstwaffe nicht einkassiert, sondern darauf bestanden hatte, dass sie diese zu ihrem eigenen Schutz Tag und Nacht mit sich führte.
Lautlos zog sie ihre P6 aus dem Holster, da pochte plötzlich jemand von außen an die Wohnungstür. Lena wirbelte herum. Instinktiv stellte sie sich mit erhobener Waffe mit dem Rücken zur Wand neben die Tür. Sekundenlang stand sie ganz still da und horchte auf. Ein Schnaufen auf der anderen Seite, dann ein leises, kaum hörbares Rütteln an der Tür. Lena entsicherte ihre Pistole. Unter ihrer Schädeldecke pochte das Blut, während sie versuchte, ihren Atem zu kontrollieren. Ganz ruhig, konzentrier dich. Tief ein-und ausatmen …
»Wer ist da?«, fragte sie, um einen ruhigen, festen Tonfall bemüht.
Eine Männerstimme drang dumpf durch die Tür: »Ich bin’s, mach auf.«
Erleichtert ließ Lena die Schultern sinken und atmete kräftig aus. Über sich selbst den Kopf schüttelnd, nahm sie die Waffe herunter und öffnete, nur mit dem Badetuch bekleidet, die Tür.
»Alles in Ordnung bei dir?« Lukas stand in einem neongelben Abercrombie&Fitch -Hemd, auf Kniehöhe abgeschnittenen Jeans und Chucks vor ihr. »Großer Gott, hast du vor, mich
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