Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenriss: Thriller

Seelenriss: Thriller

Titel: Seelenriss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
Vom Netzwerk:
musste, und Lena fragte sich, ob es ihm tatsächlich nur um ihre Sicherheit ging. Sie wusste, dass er sie brauchte und ihre Kompetenz als Profilerin schätzte; nicht zuletzt waren Deadlines aber auch ein Mittel, um Überlegenheit und Macht zu demonstrieren. Doch wie sie es auch drehte und wendete, es änderte nichts daran, dass mittlerweile schon ein Wunder geschehen müsste, damit sie diesen Wettlauf gegen die Zeit noch gewann.
    Und plötzlich war der Flashback wieder da: Lena bemerkte, wie ihre Hände zu zittern begannen und sich ihr Puls beschleunigte. Ganz ruhig, tief durchatmen. Sie musste sich regelrecht zwingen, gegen den alten Reflex anzukämpfen und ihre Hände nicht unter brühend heißes Wasser zu halten, bis ihre Haut brannte und der vertraute Schmerz die unerträgliche Last, die sie niederdrückte, kurzzeitig verdrängte. Tief ein-und ausatmen , befahl sie sich immer wieder, bis sie sich endlich gefasst hatte.
    Erschöpft stützte sich Lena mit den Händen am Waschbeckenrand ab und schloss die Augen, nur um sie im nächsten Moment wieder aufzureißen, als der Signalton ihres Laptops eine neue E-Mail ankündigte. Sie eilte ins Wohnzimmer und setzte sich an den Computer.
    Wie es aussah, war sie nicht die Einzige, die um diese Zeit noch wach war. Die Nachricht in ihrem Posteingang kam von Doktor Kurt Böttner aus dem Pathologischen Institut und war an den gesamten Verteiler der Mordkommission gesandt worden. Lena öffnete die Datei im Anhang. Der vorläufige pathologische Befund.
    Hastig überflog sie die Zeilen und sah sich die darunter abgebildeten Fotos des ermordeten Anwalts an. Sie kniff die Augen zusammen. Auch Mark Eisfeld war vor dem tödlichen Sturz aus dem Fenster das Gesicht mit Säure verätzt worden. Lena hatte nichts anderes erwartet, doch im Gegensatz zu den ersten beiden Opfern waren dem Anwalt zusätzlich mehrere Rippen gebrochen und der Kiefer ausgerenkt worden. Angespannt scrollte Lena herunter und stieß auf etwas weitaus Beunruhigenderes. Mein Gott! Auf den Bildern waren die Hände des Anwalts zu sehen oder vielmehr das, was davon noch übrig war. Lena erschauerte. Er hat ihm vor seinem Tod die Finger abgetrennt. Sie zoomte das Bild heran. Das gesplitterte Ende eines Knochens ragte zwischen den durchtrennten Sehnen ein Stück weit heraus, und man musste wahrlich kein Fachmann sein, um beurteilen zu können, dass die Amputation dieser Finger alles andere als ein chirurgisches Meisterwerk war. Aber warum ausgerechnet die Finger? ging es ihr immer wieder durch den Kopf. Was sie auf diesen Bildern sah, war das Werk eines Psychopathen, der von blankem Hass getrieben war.
    Einmal mehr versuchte Lena, sich in den Kopf jenes Killers hineinzuversetzen. Fest stand, sein Modus Operandi war gleich geblieben, doch die Brutalität, mit der er vorging, hatte eine vollkommen neue Dimension erreicht. Es muss ihm weitaus mehr Befriedigung verschafft haben, den Anwalt leiden zu sehen als die anderen Opfer, und die Frage ist: Weshalb? Weil dieses Opfer männlich war?
    Immer wieder ging Lena die Fakten durch, um sie im Kopf wie Puzzleteile nach einem sinnvollen Muster zu ordnen. Noch auf dem Weg zum Schlafzimmer betete sie die Namen der Opfer wie ein Mantra herunter und spürte bei dem Gedanken, womöglich die Nächste auf der Liste zu sein, einen eisigen Angsthauch im Nacken. Um das Phantom wenigstens für diese Nacht aus ihrem Kopf zu vertreiben, blieb sie an der Tür zum Wohnzimmer stehen und sah Lukas im hereinfallenden Flurlicht einen Moment lang beim Schlafen zu. Nicht einmal eine Invasion von Marsmenschen hätte ihn aus seinem Tiefschlaf reißen können.
    Lena erinnerte sich noch genau daran, wie sie sich vor einigen Wochen im Hof begegnet waren. Sie war völlig verschwitzt vom Joggen gekommen, und Lukas war gerade dabei gewesen, an seinem Fahrrad herumzuwerkeln. Als er sie sah, war er in seiner Army-Hose und den ausgelatschten Chucks auf sie zugekommen und hatte ihr mit einem spitzbübischen Lächeln seine ölverschmierte Hand entgegengestreckt. Lukas war blass und blond und eigentlich gar nicht ihr Typ, doch Lena hatte ihn von Anfang an sympathisch gefunden. Und jedes Mal, wenn sie sich begegneten, spürte sie, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Dummerweise war sie sich bis heute unsicher darüber, ob er genauso empfand. Sie kam zu dem Schluss, dass es ihr leichter fiel, sich in die Denkweise von Serienmördern hineinzuversetzen als in die von Lukas.
    Leise seufzend zog sie die Tür zu und ging

Weitere Kostenlose Bücher