Seelenriss: Thriller
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Dreimal dürfen Sie raten«, erwiderte der Mann mit tonloser Stimme.
Belling knackte mit den Fingern und warf einen ungeduldigen Blick auf die Uhr. Die Zeit saß ihm im Nacken, und ihm war absolut nicht nach Ratespielchen zumute. »Entweder Sie sagen mir jetzt, was Sie hierher führt, oder Sie verlassen auf der Stelle mein Haus!«
Der Mann, der sich ihm bei seinem ersten Besuch in der Berliner Detektei vor einigen Wochen als Nick Frecker vorgestellt hatte, zog ein Kuvert aus der Tasche seines Anoraks, schob die auf dem Küchentisch liegende Broschüre beiseite und breitete eine Reihe von Fotos aus. »Sie haben mich engagiert, um Ihre Exfrau zu beschatten, schon vergessen?«
Angespannt verschränkte Belling die Arme vor der Brust. Diese ganze Aktion war so ziemlich das Dämlichste gewesen, was ihm je in den Sinn gekommen war!
»Tja, ick fürchte, dit sieht schlecht für Sie aus«, erklärte der Privatdetektiv. »Ihre Helena scheint Ihnen nicht halb so sehr nachzutrauern wie Sie ihr.«
Belling sah erneut auf die Uhr, ehe er den Blick auf die Bilder senkte. Obwohl seine geschiedene Frau stets bestritten hatte, dass es in ihrem Leben einen anderen Mann gab, bestätigten diese Aufnahmen eindeutig das Gegenteil. Die Fotos waren aus einiger Entfernung in einem Park aufgenommen worden und zeigten Helena händchenhaltend mit einem anderen Mann. Bei dem Anblick schnürte es Belling förmlich die Kehle zu. Hastig griff er nach dem Päckchen Marlboro und schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Als er sie anzuzünden versuchte, zitterten seine Hände so sehr, dass Frecker ihm kurzerhand Feuer gab.
»Damit wäre Ihr Auftrag wohl beendet«, sprach Belling nüchtern. Er war erfüllt von Trauer und Entsetzen und Wut und Enttäuschung, doch ihm blieb keine Zeit, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen und darüber nachzudenken, dass er Helena nun tatsächlich für immer verloren hatte. Auch nicht darüber, dass Marietta ein Kind von diesem Mikey erwartete. Stattdessen sollte er auf dem schnellsten Wege nach Wilmersdorf fahren, bevor Lena Peters vor ihm bei diesem Harding aufkreuzte.
Dass er kein Bargeld im Haus hatte, war gelogen. Mit einem schnellen Handgriff nahm er eine Zuckerdose vom Küchenschrank und schüttete die darin befindlichen Scheine unter den Blicken von Nick Frecker auf dem Tisch aus. Das Geld hatte Belling für Notfälle zu Hause gebunkert. »Das dürfte wohl ausreichen.« Ohne nachzuzählen, schob er es ihm über den Tisch.
Frecker ließ sich das nicht zweimal sagen und steckte die Scheine ein. Die Fotos packte er zurück in das Kuvert und überreichte es Belling zusammen mit seiner Visitenkarte. »Nur für den Fall, dass Sie wieder mal meine Hilfe benötigen …« Der Privatdetektiv schenkte ihm ein letztes Grinsen und erhob sich, als sein Blick urplötzlich auf der Broschüre verharrte. »Sie wollen Ihre Schlösser austauschen lassen?«
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, schnaubte Belling und stemmte die Hände in die Hüfte. »Wenn Sie jetzt endlich mein Haus verlassen würden.«
Abwehrend hob Frecker die Hände. »Is ja gut. Aber wenn Sie meinen Rat dazu hören wollen …«
»Danke, aber Ihre Ratschläge werden hier nicht mehr gebraucht«, schnitt Belling ihm das Wort ab und geleitete ihn aus der Küche.
»Ick wollt Sie lediglich vor dem Typen gewarnt haben.«
Schnaufend blieb Belling auf der Türschwelle stehen. »Vor welchem Typen?«
»Vor dem Inhaber dieser Firma für Schließtechnik …« – Frecker zeigte zum Tisch –, »… die Broschüren, die Sie da liegen haben. Glauben Sie mir, dieser Kerl is nich ganz richtig im Kopf …«
Misstrauisch geworden, ging Belling zurück zum Tisch und nahm die Broschüre zur Hand. Profi Plus Schließtechnik GmbH. Schneller Einbau für kleines Geld – Ihr Spezialist in Berlin und Umgebung.
Er sah zu Frecker auf. »Was meinen Sie damit?«
Der Privatdetektiv hob die Schultern. »Ick sollte für den ’n paar Leute ausfindig machen, die auf ’nem Überwachungsvideo der BVG zu sehen waren.«
Belling starrte ihn weiter an. »Was für ein Überwachungsvideo war das?«, hakte er nach, da es in seinem Gehirn zu arbeiten begann.
»Dit war von dem Brand neulich in dem U-Bahn-Schacht.«
Benommen schüttelte Belling den Kopf, als es ihm plötzlich kalt über den Rücken lief. »Das ist nicht Ihr Ernst?!«
Doch Freckers Gesichtsausdruck verriet das Gegenteil. »Ick hab dem gesagt, der kann sich ’n anderen
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