Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
Geheimrezept«, sagte die rüstige Frau lächelnd und setzte sich die Brille auf die Nase. Mit den dicken Gläsern erinnerte sie Maren für den Bruchteil einer Sekunden an Lackner.
Maren holte Wilhelms Bild aus der Tasche und reichte es Stollwerk.
»Als der Mann in der Pension wohnte, war er schon älter«, erklärte Maren. »So um die fünfzig. Leider gibt es kein aktuelleres Bild mehr.«
Stollwerk schaute die vergilbte Fotografie lange an, seufzte und griff nach ihrer Teetasse.
»Ja, also, ich glaube, ich kann mich an ihn erinnern. Bin mir aber nicht sicher.« Sie nahm das Bild wieder in die Hand und sah es stirnrunzelnd an.
Maren griff erneut in die Handtasche und legte das Bild des jungen Lackners auf den Tisch.
»Auch eine frühere Aufnahme«, begann sie zu erklären. »Das war ein guter Freund …«
»Den kenn ich«, rief Stollwerk überrascht aus. »Karl Gustav, der Charmeur.«
Maren hätte fast ihre Tasse fallen gelassen.
»Wie bitte?«
»Der hing ständig bei dem anderen rum«, erklärte Stollwerk. »Ein netter Kerl. Richtiger Frauenschwarm. Hatte mir sogar die Hand geküsst, als die zwei schließlich zusammen nach Finnland abgereist sind.«
Maren gönnte sich einen Snack bei einer der besten Sushibars der Stadt und war der Meinung, es sich absolut verdient zu haben. Jeder Meisterdetektiv würde den Hut vor ihr ziehen.
Sie fuhr zurück auf den Hof und hatte das Gefühl, platzen zu müssen, wenn sie ihre Informationen nicht gleich Peter erzählen würde.
Karl Gustav Lackner stand am Rande der Weide und schaute auf eine fette Kreuzspinne, die eine unvorsichtige Biene einspann. Es hatte lange gedauert, bis er sich nach dem Gespräch mit Peter wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. Der Hauptmann hatte ihn auf so ein Verhalten nicht vorbereitet. Er hatte zwar erwähnt, dass sich die Erinnerungen bei Peter bald mischen könnten, aber dass Peter plötzlich Dinge wusste, die Wilhelm erlebt hatte, schockierte Lackner zutiefst. Zumal der Junge sich sonst noch ganz und gar wie Peter benahm, mit Ausnahme einiger Gesten vielleicht. Die schienen tatsächlich schon von seinem alten Kameraden zu stammen.
Hatte ja auch lang genug gedauert. Von wegen acht bis zehn Jahre. Der Hauptmann lag mit seiner damaligen Vermutung gründlich daneben. Beinahe dreißig Jahre hatten sie sich in Geduld üben müssen.
Das Zuschlagen einer Autotür schreckte ihn aus seinen Gedanken.
Peters Flittchen war zurückgekommen.
Karl Gustav wandte sich mühsam von der Spinne ab. Er hätte gern noch eine Weile dabei zugeschaut, wie der Biene die Lebenssäfte ausgesogen wurden, doch es gab jetzt Wichtigeres. Es war in Erfahrung zu bringen, ob das Mädchen tatsächlich etwas herausgefunden hatte.
Peters Flittchen hatte Angst vor ihm. Das konnte man an ihrem Blick erkennen.
Er würde diese Puppe jetzt einfach zur Rede stellen. Wäre doch gelacht, wenn aus ihr nichts herauszupressen wäre.
Karl Gustav wollte gerade einen Schritt vor den schützenden Baum machen, als Peter plötzlich aufkreuzte. Maren sprang auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. Sie nahm seine Hand, und die beiden gingen langsam Richtung Hof.
Jetzt aber schnell.
Er musste schleunigst näher heran, musste unbedingt hören, was das Flittchen zu erzählen hatte.
»Ich war wirklich erfolgreich«, sagte Maren fröhlich und lachte von einem Ohr bis zum anderen. Sie erzählte von der alten Frau Stollwerk und ihrer Tätigkeit in der ehemaligen Pension.
»Die Gute konnte sich an deinen Opa erinnern und an Lackner erst recht. Der hing ständig bei ihm herum. Lackner und Stollwerk haben sogar züchtig miteinander geflirtet. Lackner hatte ihr einen Handkuss gegeben, als sich dein Opa und er endgültig auf den Weg machten.«
»Auf den Weg wohin?«
Marens Lachen wurde noch breiter.
»Nach Finnland. Wilhelm und Lackner hatten dauernd darüber geredet, nach Finnland zu fahren. Sie hätten dort etwas ungemein Wichtiges zu erledigen. Als die Männer schließlich losfuhren, waren sie furchtbar aufgekratzt und sprachen davon, in ihrer jetzigen Form nicht mehr zurückzukommen.«
»Was sollte das heißen?«, fragte Peter.
»Das wusste Frau Stollwerk auch nicht. Jedenfalls hat sie die beiden wirklich nie wieder gesehen. Ein paar Jahre später wurde die Pension dann geschlossen. Um Lackner tut es ihr, glaube ich, immer noch leid. Ich denke, Stollwerk hätte ihn damals gerne näher kennengelernt.«
Maren schaute sich um, weil hinter ihnen ein Ast knackte, aber da war niemand.
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