Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
und drehte sich um. Wie schön es wäre, wenn Wolfgang recht behielte. Aber sie glaubte nicht daran. Zu viel Unheimliches war inzwischen geschehen. Und was war mit Peters letzter Vision? So aufgewühlt hatte sie ihn noch nie erlebt.
Maren setzte ihren Weg fort und hob kurz die Hand.
»Bis später, Wolfgang.«
»Bis später, Kleine. Schlaf noch ein bisschen.«
Aber Maren fand keinen Schlaf mehr. Sie hatte sich neben Peter gelegt, und ihr war sofort klar gewesen, dass sich ihre Augen in dieser Nacht nicht noch einmal schließen würden. Wozu auch? Wenn sie wirklich nach Finnland aufbrechen wollten, gab es allerhand zu erledigen.
Noch bevor die Sonne aufging, fing Maren an, zwei große Reisetaschen zu packen. Um in die hintersten Fächer der Schränke schauen zu können, schaltete Maren sämtliche Lampen im Schlafzimmer ein. Peter störte das wenig. Ihr Freund schlief weiterhin seinen unruhigen, zappeligen Schlaf. Ohne lange darüber nachzudenken, warf sie Peters Unterwäsche, Hosen und drei Hemden in eine der Taschen. Dann kamen ihre Sachen dran. Bei den T-Shirts zögerte sie einen Moment. Wie kalt war es im Sommer in Finnland? Sie war bisher noch niemals nördlicher als in Kopenhagen gewesen. Schließlich schlossen sich ihre Finger um die leichteren Kleidungsstücke. Irgendwo hatte sie mal gehört, dass selbst in Lappland die Sommermonate angenehm warm sein konnten.
Nachdem Maren auch die Waschtaschen, oder Kulturbeutel, wie Peter immer sagte, gepackt hatte, gönnte sie sich eine ausgiebige Dusche. Wenigstens etwas Gutes hatte die nächtliche Unterbrechung: Durch die turbulenten Ereignisse hatte Maren ihren eigenen Schock so gut es ging verarbeitet. Jedenfalls gab es keine zitternden Beine mehr, und auch die Erinnerung an das altertümliche, lange Messer in der schrumpeligen Hand des Greises verursachte kein allzu großes Magenkribbeln mehr.
Womöglich lag es auch daran, dass Maren wusste, wie sehr Peter sie jetzt brauchte.
Die Sonne war bereits aufgegangen, als ihre nackten Füße aus dem Badezimmer traten. Kurz darauf klopfte jemand an die Haustür. Hannelore stand mit einem gelben geflochtenen Korb auf dem Treppenabsatz und lächelte erschöpft. Maren sah sofort, dass Peters Mutter nicht besonders gut geschlafen hatte.
»Ich werde euch ein ordentliches Frühstück machen«, sagte Hannelore gezwungen fröhlich und trat ein. »Müsst ihr nicht rüberkommen. Eure Küche ist genauso gut.«
Maren nickte nur. Wenn Hannelore irgendetwas Essbares zubereiten konnte, ging es ihr gut. Vielleicht war das ihre Art, mit den Dingen fertig zu werden.
Eine halbe Stunde später betrat Peter die Bildfläche. Er stand einfach an der Küchentür und lächelte schwach. Wenigstens war er nicht schreiend aufgewacht.
Als Peter aus dem Bad kam, hatte Hannelore bereits den Frühstücksschinken angebraten, die Eier gekocht und die Brötchen aufgebacken.
»Was ist mit Papa und Lackner?«, fragte Peter und steckte sein Messer gierig in die Marmelade.
»Für die habe ich drüben eine Kleinigkeit vorbereitet«, antwortete Hannelore.
Und mehr wurde über Lackner bei diesem Frühstück nicht gesprochen. Maren war dankbar dafür.
Peter stand ziemlich schnell wieder auf, tigerte ziellos durch die Wohnung, räumte hier eine Zeitschrift weg und ordnete da ein paar alte Briefe. Er schien furchtbar fahrig zu sein. Hannelore hatte ihn vorsichtig auf Finnland angesprochen und gefragt, ob er denn noch immer dahin wolle. Es wäre ja möglich, dass sich Lackner die ganze schreckliche Geschichte nur ausgedacht hatte. Daraufhin hatte Peter seine Mutter einen Moment lang gemustert, als ob sie den Verstand verloren hätte.
»Ich weiß , dass es so war«, hatte er ärgerlich geknurrt und seine Hände zu Fäusten angespannt.
»Ich werde uns eine Fähre buchen«, hatte Maren ihm später erklärt. Als Antwort darauf hatte Peter ihr einen seltsamen Blick zugeworfen.
»Du bist wirklich sicher, dass du mit willst? Es wird … unheimlich. Du hast doch Angst vor Insekten.«
Dann war es an ihr gewesen, ihn merkwürdig anzustarren, und Peter hatte ihr die Schreckensvision in allen Einzelheiten erzählt.
»Ich bin mir sicher«, hatte sie daraufhin geantwortet und den Telefonhörer in die Hand genommen.
Am frühen Vormittag fanden sie sich alle fünf um Peters Wagen herum. Wolfgang hielt Lackners Arm. Der alte Mann sah müde aus, schien ebenfalls keine Ruhe mehr gefunden zu haben.
»Ich habe Karl Gustav versprochen, dass ihr noch bei seiner Wohnung
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