Seelentraeume
noch von einem Amateur. Deine Familie wäre stolz auf dich, wenn sie davon wüsste.
Zu seinen Gunsten sprach nur eines: Er hatte sich nicht vorstellen können, jemand würde einen so perfiden Plan aushecken, der zuließ, dass seine Schwester von einem Drecksack vergewaltigt wurde. Dieses Ausmaß an Verkommenheit war ihm trotz allem, was er erlebt hatte, bisher noch nicht vorgekommen. Zum Dank für dieses Versehen hatte er Jackal Tuline enthauptet. Doch unglücklicherweise hatte Tuline sechs Kumpane, denen es trotz ihrer bemerkenswerten mangelhaften Ausbildung gelungen war, ihn zu überwältigen.
Baumstämme sausten vorüber, riesige adrianglianische Kiefern, die wie Masten in den Himmel ragten. Sein Atem ging rau, qualvoll keuchend. Der Schmerz griff heiß in seine Seite, biss bei jedem Schritt tief in die Wunde.
Von fern klang ein Heulen durch den Wald. Die Sklavenhalter hatten Bluthunde, und er ließ eine Blutspur hinter sich. Er steckte in der Klemme und sah keinen Ausweg.
Die Bäume ringsum schwankten, verschwammen, wurden wieder deutlich sichtbar. Er sah nicht mehr richtig. Richard schüttelte sich und rannte weiter. Er musste die Grenze erreichen, hinter der das Edge begann. Da die Wälder des Weird sich meilenweit in sämtliche Richtungen erstreckten, war das Edge seine einzige Chance. Was nicht hieß, dass die Edger ihm aus schierer Herzensgüte helfen würden. Er stammte aus dem Edge und wusste daher besser als die meisten, dass sich in dieser Zwischenwelt jeder selbst der Nächste war. Andererseits waren die Edger ein paranoider, misstrauischer Haufen, der gerne mit Waffen hantierte und nervöse Abzugsfinger hatte. Sie würden schon aus Prinzip auf eine Bande Sklavenhändler schießen, die sie durch ihr Land reiten sahen.
Schwindel überfiel ihn und warf ihn gegen einen Baumstamm. Um sich abzustützen, griff Richard in die duftende Borke, seine Finger blieben am Harz kleben und brachten die sich drehenden Bäume zum Stillstand.
Mach schon, reiß dich zusammen, so wirst du nicht draufgehen
. Er konnte wenigstens ruhmreich abtreten, statt unter einer Kiefer zu verbluten.
Der Wald wurde zu einem grauen, verregneten Sumpf. Richard roch das stechende Aroma der Moorkräuter, das sich mit dem Gestank stehenden Wassers mischte. Er hätte diesen Geruch überall unterschieden – er war darin eingehüllt aufgewachsen.
Er lief über die Rinne morastigen Bodens zu der von Zypressen gesäumten Lichtung. In der Erde klafften große Löcher wie Münder. Er blickte hinein und sah den Körper eines Kindes, eine bleiche, magere Gestalt, die mit dem Gesicht nach unten in der zwei Fuß tiefen braunen Brühe trieb.
Richard schüttelte den Kopf und verscheuchte die Erinnerung. Der Wald kehrte zurück. Er halluzinierte. Großartig. Er stieß sich von dem Stamm ab und lief weiter.
In der Ferne heulte wieder ein Hund, diesmal weiter westlich. Sie mussten sich in zwei Gruppen aufgeteilt haben. Feige Bande, die jedoch Übung darin hatte, entlaufene Sklaven zu hetzen, und bestürzend gut darin war.
Abrupt endete das Unterholz. Er sah die Klamm, leider zu spät. Der Teppich aus Tannennadeln unter seinen Füßen geriet ins Rutschen, der Hügel fiel steil ab, Richard rollte den Abhang hinunter und prallte gegen einen Baum. Seine Rippen knirschten, Schmerz grub sich in seine Seite.
Der Morast quatschte unter seinen Füßen. Ein Mann stürzte heran, kam mit einem Schwert in der Faust zwischen den Löchern auf ihn zu, den Mund zum Schrei weit geöffnet, der Regen klatschte ihm das nasse Haar an den Schädel. Richard schlug zu. Der Körper wurde vor ihm zerteilt. Der nächste Sklavenhändler griff ihn von links an. Ein zweiter Schwerthieb, und der Kopf des Mannes fiel von seinen Schultern und kullerte in das nächste Loch. Rotes Blut sprudelte aus dem Halsstumpf und spritzte in den Schlamm
…
Die Wirklichkeit erfasste Richard mit qualvoller Wucht. Er biss die Zähne zusammen, wälzte sich tollpatschig wie ein Baby, das laufen lernt, auf alle viere und zwang sich aufzustehen. Da traf seine Haut und seine Innereien ein vertrauter dumpfer Druck. Beim nächsten Schritt prallte die Mauer aus Magie auf seine Sinne. Die Grenze. Er konnte sie weder sehen noch riechen, doch sie trieb ihn vorwärts. Endlich hatte er das Edge erreicht.
Da segelte ein schweres Fellknäuel über den Rand der Klamm. Richard wirbelte herum, zückte sein Schwert. Die Sonne traf auf die lange, schlanke Klinge.
Der Wolfripper landete auf der Schräge und
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