SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
das Bild richtig aufgenommen hatten, dann brach es mit donnernder Wucht in sein Herz. Vor ihm stand Ril und zwar genauso wie sie an jenem so lange zurückliegenden Tag in die Schlacht gezogen war. Der ganze Körper eine einzige von blauen Zeichen verschlungene Haut. Das Haar weiß gekalkt und zu einer wilden Mähne nach hinten geformt, wie die eines galoppierenden Pferdes. Der Bogen und die Federn der Pfeile lugten hinter ihren Schultern hervor. An einem breiten Gürtel hing ihr Schwert und ihre Füße steckten in hohen, gebundenen Lederstiefeln.
»Ril«, hauchte Liran nur noch und umarmte seine Schwester wild und voller Inbrunst, als wollte er ihren Körper in den seinen drücken. Er spürte wie ihre Tränen an seinem Hals herunter rannen und konnte sie nun selbst nicht mehr zurückhalten.
»Da lässt man dich mal ein paar tausend Jahre allein und schon steckst du knietief in Schwierigkeiten, kleiner Bruder«, schniefte sie. Langsam lösten sie sich voneinander. Oh, wie hatte er diesen tadelnden und gleichzeitig amüsierten Blick vermisst. Die Berührungen, die zwischen ihnen immer noch die von sich liebenden, unbefangenen Geschwistern waren. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Wange und verschmierte dabei eine gemalte Spirale.
»Ich hätte mir denken können, dass die Druidin dich ausgewählt hat, um der Gezeitenkrieger zu werden. Und da ich aus einem Feuer des Samhain treten kann und du hier in der lächerlichsten Aufmachung stehst, die ich je an dir gesehen habe, heißt das wohl, dass dieser verfluchte Irre auch nicht weit sein kann?« Ihre Miene spiegelte Kampfeslust wider.
»Ja, Sunabru ist zurück. Frag mich nicht, wie er da heraus gekommen ist. Aber es scheint, als habe er von Anfang an damit gerechnet.«
»Was meinst du damit?« Plötzlich klang sie lauernd.
»Er hat viele seiner Schmerzbringer irgendwo in der Zeit versteckt, ebenso einige Blutbäume und wahrscheinlich auch alle anderen. Er hat sogar Rätselfinder dazu gebracht, die Jahrhunderte für ihn zu überwachen, damit sie die Blutlinie im Auge behalten. Das muss er arrangiert haben bevor er die Festung angegriffen hat, denn danach hatte er nicht mehr die Möglichkeit dazu«, mutmaßte Liran und sah, wie sich die Stirn seiner Schwester in Falten legte.
»Vielleicht war sogar unser Sieg geplant. Hat sich absichtlich in diesen Steinsarg stecken lassen. Abwartend und darauf bauend, dass es nicht einen einzigen Fian mehr geben würde, sollte die Zeit reif sein. Er wusste, dass die Römer vor Alesia standen. Vielleicht hat er aus der Niederlage, die Mutter ihm beigebracht hat, gelernt und geglaubt, es würde eine Zeit geben, da ihn niemand mehr aufhalten könne. Niemand mehr überhaupt von ihm wissen würde.«
Aus diesem Blickwinkel hatte Liran das Geschehene noch nie betrachtet und das machte ihm plötzlich große Angst. Er war nie ein großer Stratege gewesen, hatte Politik immer verachtet.
»Er hat mich mit einem Fluch belegt. Ich sollte niemals wieder die Insel verlassen können.«
»Und wie stehst du dann hier mitten in Armorica?«
Er wippte mit den Schuhen und grinste zu den Boots hinunter.
»Hab die Insel einfach unter die Füße geschnallt«, kicherte er stolz, worauf auch Ril lachen musste.
»Wer ist denn auf die verrückte Idee gekommen?«, fragte sie und ging in die Knie, um sich die Schuhe genauer anzusehen.»Bei den Göttern, wie badest du denn damit und jetzt sag bitte nicht, dass du seit Wochen kein Wasser mehr an den Füßen hattest, Brüderchen.«
»Einen Fuß nach dem anderen, Schwesterchen. Einen Fuß nach dem anderen.«
Sie gingen ein Stück schweigend zusammen. Hinunter von dem Plateau, wo das Fest noch immer in der Luft dröhnte, einen schmalen Weg entlang, der von Hecken gesäumt war und zum Strand führte. Lange war es her, dass sie so entspannt miteinander etwas Zeit hatten genießen können. Ril legte ihren Arm um seine Schultern und seufzte tief.
»Du hast dich verändert, Liran«, sagte sie leise. Der Krieger schaute auf. Es war höchst selten, dass seine Schwester ihn beim Namen nannte. Irgendwie hatte sie seinen Namen stets gemieden, als suche sie ständig nach einer Bezeichnung, die ihre Gefühle besser zum Ausdruck brachten.»Ich kann es fühlen, du hast Magie in deinem Körper, mächtige Magie. Ich wusste, dass dich Enya nicht allein in den Kampf ziehen lassen würde.« Den wissenden Ton darin erkannte Liran nicht.
»Zwei sind tot, einer vermisst, der andere schweigt beständig. Ja, Enya hat
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