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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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rutschten aus ihrem Leben, gingen unter. Ihre Schreie hallten über das Meer, prallten von den Wellen ab, nahmen sie nicht an. Für einen hauchdünnen Moment sah sie ihn nochmals in den Fluten, sein schwarzes Haar, das über seine Augen schwang, die Lippen, die so tief Luft holten. Dann verschwand er mitsamt seinen weit aufgerissenen Augen, die nun die dunkle Farbe des Meeres angenommen hatten.
    Nilah aber schrie, sie schrie alles aus sich heraus und alles war Schmerz. Ihr Schrei füllte und brannte sich wie ein fremdes Feuer in ihren Körper, als sie zusammen brach und der Regen wie Blut auf ihre Seele prasselte.
     

 
    Die Ruhe nach dem Sturm
     
    Jean Luc Dardon hatte schon Menschen gesehen, die einen Schock erlitten hatten. Damit war nicht zu spaßen. Es dauerte, bis er Nilahs Hände, die sich um die Reling verkrampft hatten, lösen konnte. Nur sehr sanfter Zuspruch und behutsame Gewalt brachten sie schließlich dazu, los zu lassen. Doch als sie es tat, kippte sie ohnmächtig zur Seite, als hätte sie nun endgültig jeden Halt verloren.
    Er fing sie auf und trug sie unter Deck, denn dort war es wenigstens noch trocken. Im Schein einer Gaslaterne zog er ihr die nassen Sachen aus, bei sechs Töchtern bedeutete das gar nichts, und wickelte sie in warme Decken ein. Er stopfte einen Rucksack unter ihre Kniekehlen und flößte ihr einen großen Schluck Cognac ein, den sie widerstandslos hinunter schluckte. Sie war blass wie Papier, die Lippen bläulich verfärbt, aber er konnte nicht lange hier neben ihr sitzen bleiben, sondern musste sich darum kümmern, dass ihr Boot nicht sank.
    »Ich bin gleich wieder da«, flüsterte er und stand auf, um zu sehen, was diese Seeschlacht noch von diesem teuren Einzelstück übrig gelassen hatte.
    Er nahm die Gaslaterne, ging die Treppe hinauf in den Ruderraum, stieg über Scherben, Plastik und Holzteile hinweg, die über den ganzen Boden verstreut lagen, schüttelte benommen den Kopf und ging zurück an Deck.
    Das erste was ihm auffiel, war, dass der Regen aufgehört hatte. Vollkommene Dunkelheit verschlang ihn, die wie ein erstickendes Tuch auf dem Meer lag. Keine Welle schwappte gegen den Rumpf, kein Wind, nichts. Es war, als hätte man der Welt den Ton abgedreht.
    Einige Atemzüge stand Jean Luc reglos da und staunte einfach nur. Als wäre gar nichts geschehen, als hätten all der tosende Krach, das Feuer, das Schreien, zerberstende Schiffe, brennendes Wasser ... und Liran ... nie existiert. Als wäre er in eine andere Zeit geraten, in der die Erde nur aus einem endlosen, lautlosen Ozean bestand. Der kreisrunde Schein der Gaslampe und ihr leises Zischen, neben seinem Atem, war alles was er wahrnahm. Er konnte sich nicht rühren in dieser Stille, so sehr er auch wollte.
    Es dauerte, bis er sich von dieser Lautlosigkeit losreißen konnte. Er machte ein paar zaghafte Schritte. Als dies endlich vollbracht war, kehrte der Kapitän in ihm zurück. Er hob die Laterne und begutachtete, wie es um sie alle stand.
    Das Heck war völlig verkohlt, viele Deckplanken waren von Schüssen aufgerissen worden. Dicke Splitter ragten wie Stacheln daraus hervor. Jean Luc kickte sie weg oder drückte sie mit seinen dicken Stiefeln wieder ins Holz. Das Ruderhaus sah von außen aus wie der Wagen von Bonni und Clyde . Dass sie darin nicht verletzt worden waren, grenzte an ein Wunder.
    In den Mast waren ebenfalls Dellen von Patronen gestanzt worden, aber nach einer kurzen Untersuchung glaubte Jean Luc, dass er halten würde. Das Segel hing schlaff da, wie eingefroren in einer letzten Bewegung. Diese verdammte Windstille.
    Jean Luc legte sich aufs Deck, schob seinen Kopf durch die metallene Reling und beugte sich tief runter, um die Außenseite in Augenschein zu nehmen. Weit übergelehnt, baumelte die Laterne nur Zentimeter über dem schwarzen Wasser. Er konnte sogar sein Gesicht darin sehen. Er sah fürchterlich aus, befand er und machte eine Grimasse, die das Wasser widerspiegelte. Die Bordwand war übel zerschrammt, aber sonst noch intakt. Gütiger, wie abgrundtief schwarz das Meer war. Und da ging es hunderte Meter weit hinab. Tausende Meter? Urängste breiteten sich in ihm aus. Er wollte sich gerade wieder hoch hieven, als sein Magen einen Satz machte, dann schoss er hoch, wobei er beinahe die Laterne ins Wasser hätte fallen lassen, stieß sich den Kopf und wich keuchend zurück. Schnell atmend kroch er rückwärts, bis er mit dem Rücken gegen den Mast stieß, und umklammerte die Laterne, als

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