Seelenzorn
mit der einen Hand, während die andere mit einem Kondom kämpfte. Seine Lippen wanderten über ihre Brust und ihren Hals, zu lasch, als dass sie irgendetwas spürte. Wo seine Hand roh und ungeschickt gewesen war, war alles andere, was er tat, zu langsam, zu leidenschaftslos. So war sie schon gelangweilt und frustriert, bevor es überhaupt richtig losging, und als es dann losging, änderte sich an ihrer Langeweile auch nichts.
Sie fing an, sich mechanisch zu bewegen, während sie im Kopf eine Million Kilometer weit weg war und ihren Körper einfach hinter sich ließ. Das war ein Trick, den sie sich früher mal angeeignet, aber schon lange nicht mehr angewendet hatte. Er flog ihr so leicht und selbstverständlich wieder zu wie ihre Magie.
Oliver Fletcher behauptete, allein für die Geistererscheinung bei den Pyles verantwortlich zu sein, aber er konnte unmöglich Kym verletzt haben. Wer also war es dann gewesen?
Merritt keuchte unter ihr und flüsterte irgendetwas. Sie schenkte ihm keine Beachtung. Es spielte auch keine Rolle. Sie war mit den Pyles so gut wie fertig. Morgen früh würde sie sich an den Papierkram für einen Bericht über eine echte Erscheinung machen - oder wann immer sie es morgen schaffen würde aufzustehen -, und Ende der Woche wäre dann alles gelaufen.
Gelangweilt beschleunigte sie ihre Bewegungen. Sie wollte nur noch zum Ende kommen. Sie wollte sich ihre Strafe abholen, basta.
Er versuchte sie zu küssen; sie wich ihm aus und vergrub ihr Gesicht stattdessen an seinem Hals. Er strich ihr über den Rücken, als wollte er ein Kleinkind beruhigen. Das ging ihr auf die Nerven, aber sie sagte nichts. Immerhin wollte er sie. Er sah sie nicht wütend und enttäuscht an. Für ihn war sie nicht bloß die willkommene Gelegenheit, einem Feind eins auszuwischen. Vielleicht hatte er sich nicht besonders geschickt angestellt, aber immerhin wollte er sie. Sie bedeutete ihm etwas, und sei es auch nur ein paar Minuten oberflächlicher Erregung.
In ihrem Kopf drehte sich alles. Zu viel Alk, zu viele Pillen, zu viel Bewegung. Schwärze kroch von den Rändern her in ihr Blickfeld. Mit dem letzten bisschen Energie, das ihr noch blieb, kämpfte sie dagegen an. Sie wollte hier nicht übernachten. Sie wollte nach Hause. Natürlich war sie absolut nicht mehr in der Lage zu fahren, aber sie hatte noch Speed dabei; sie könnte sich also nüchtern sniefen und es irgendwie schaffen, wenn sie vorsichtig war. Merritts Wohnung roch komisch, es war eng, und sie wollte nur noch weg.
Seine Finger krampften sich um ihre Hüften, gruben sich ins Fleisch, und es war dieser Schmerz, der ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn lenkte. Endlich wurde er fertig. Beinahe hätte sie erleichtert geseufzt. Er war fertig. Er war fertig, und jetzt durfte sie nach Hause und vielleicht — vielleicht — rauskriegen, wie sie alles wieder geradebiegen konnte.
Oder auch einfach nur ohnmächtig werden, was wahrscheinlicher schien.
Wie auch immer, sie konnte nicht umhin, ihm auch ein kleines bisschen dankbar zu sein. Er hatte sie aus ihrer Wohnung befreit, sie betrunken gemacht und ihr ein paar Augenblicke Frieden geschenkt.
Es war nicht viel, aber manchmal war das schon genug.
24
Magie ist weder Segen noch Fluch, weder gut noch böse.
Es kommt auf die Absichten des Ausübenden an,
aber das heißt wiederum nicht, dass Magie ungefährlich ist,
wenn sie bloß mit reinem Herzen angewendet wird.
Oft ist geradezu das Gegenteil der Fall. ...
Das Buch der Wahrheit, »Regeln«, Artikel 980
Anderthalb Stunden später stellte sie ihren Wagen auf dem Parkplatz bei ihrem Wohnhaus ab und schleppte sich auf die Haustür zu. Ihr tat alles weh. Ihr Mund fühlte sich pelzig an und die Zähne scharf und rau. Die anderthalb Liter Wasser, die sie in sich reingekippt hatte, gluckerten ihr im Bauch herum, sodass sie sie beinahe wieder hochgewürgt hätte. Wenigstens war es noch dunkel. Mit Sonnenlicht wäre sie jetzt bestimmt nicht klargekommen.
Terrible saß draußen auf den Stufen und wartete auf sie. Chess blieb abrupt stehen und riss den Mund sperrangelweit auf.
Er musterte sie von Kopf bis Fuß, ihr zerzaustes Haar, das verschmierte Make-up, die zerknitterte Kleidung und den schwankenden Schritt. Sie spürte seine Verachtung und hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen, sich auf dem Bürgersteig eingerollt und nur noch geheult, bis er endlich wegging.
»Hi«, brachte sie hervor.
Er vergrub die Hände in den Taschen und sah sich um. Ein paar
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